Roland Wolf – Das schönste Land – Historische Lieder aus dem deutschen Südwesten (2001)

TitelEin prachtvolles Beispiel für gelungene musikalische Heimatkunde ist diese Broschüre, die im Rahmen der Reihe “Politik & Unterricht” von der “Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg” aufgelegt wurde.

Und ausnahmsweise darf ich mal aus dem Grußwort der für dieses Projekt zuständigen Ministerin zitieren:

„Was mögen sie gefühlt haben, die Bauern, als sie nach dem vergeblichen Kampf gegen adlige und geistliche Herrschaften, die althergebrachte bäuerliche Rechte schmälerten, das „Triumphlied über die Bauern“ hörten – gesungen vielleicht von Soldaten in einer Dorfschenke? Ein Lied, in dem das Strafgericht und die Rache der Sieger gefeiert wurden, in dem die Bauern verspottet und gedemüdigt wurden?

Welche Trauer und welches Entsetzen mögen die Calwer gespürt haben, wenn sie das „Klaglied über die Zerstörung Calws“ sangen und die Verwüstung ihrer Stadt im Dreißigjährigen Krieg in der Erinnerung lebendig wurde?
Und noch ein drittes Beispiel: Da singt eine Mutter ihrem Kind ein „Badisches Wiegenlied“, ein Lied voller Grausamkeiten, voller Bedrohungen,
voller Ironie – ein Schlaflied, das keines ist, sondern eine politische Botschaft, verborgen hinter einem zunächst harmlos scheinenden Kinderlied. Was lässt sich hier vom politischen Klima der Restauration spüren, von der Angst und der Wut der Menschen, aber auch von ihrem Aufbegehren und ihrer Sehnsucht nach Freiheit?
Besser als viele andere Quellen lassen Lieder die Gefühle erkennen und verstehen, die hinter den historischen Ereignissen stehen, lassen sie die Menschen vergangener Zeiten erahnen, ihre Freude, ihre Wut, ihre Trauer und ihr Entsetzen. Deshalb bringen historische Lieder nicht nur methodische Abwechslung in den Geschichtsunterricht, sondern ermöglichen oft auch eine andere Sichtweise auf die Geschichte, einen Einblick in die Herzen der Menschen.
Das Besondere des vorliegenden Heftes der Landeszentrale für politische Bildung ist – neben der methodischen Anregung für einen anschaulichen und lebendigen Unterricht – der regionale Bezug: es sind Lieder aus dem Land, die hier vorgestellt werden, Materialien, die in gängigen Werken kaum zu finden sind. Sie ermöglichen, sich mit einem Stück Lokal- und Regionalgeschichte auseinanderzusetzen und die „große“ Geschichte im Nahbereich deutlich zu machen.  (Johanna Seebacher, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport)

Und auch der Autor macht nochmal deutlich, in welchem Kontext man diese Beschäftigung mit historischen Volkslieder sehen sollte:

„In Liedern kristallisieren sich individuelle Gefühle und Ansichten, aber auch soziale und historische Erfahrungen. Deshalb enthalten sie viele Möglichkeiten, Einblicke in eine Zeit zu bekommen. In mancher Hinsicht sind sie rein verbalen Quellen überlegen:
1. Sie stehen oft den Ereignissen besonders nahe. Sie sind häufig wenig distanziert, deutlich perspektivisch und damit authentisch.
2. Viele Lieder entstanden in Schichten, über die auf andere Art und Weise wenig Erkenntnisse möglich sind.
3. Die Musik spricht nicht nur den Verstand an. Es werden Emotionen, Affekte, Appelle an Solidarität und das Gemeinschaftsgefühl von Gruppen vermittelt. Diese Bereiche lassen sich in anderen Quellen kaum gleich gut fassen, damit werden mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse möglich.
4. Lieder können schlagwortartig Informationen für die Zeitgenossen transportieren, oft mit einer deutlichen Wertung versehen.“

Eine wirklich lohnenswerte Lektüre, die einen dazu verleiten kann, mal wieder in dem großartigem „Anti-Geschichtsbuch“ von Bert Engelmann zu schmöckern … auf dass man nicht vergessen … ihr wisst schon: Ihr da oben – wir da unten …

Hier ein paar Beispiele aus dem Heft (59 Seiten):Beispiel1

Beispiel2Beispiel3

Beispiel4Beispiel5Ich habe dem Informationspäckchen dann noch gleich 3 Lieder aus diesem Heft beigelegt:

Titel:
01. Loblied der Badener 3.10
02. Der reichste Fürst 3.40
03. Hohenzollernlied 2.07

Autor dieses Heftes:
Roland Wolf, Studiendirektor, Bildungszentrum Nord Reutlingen, Lehrbeauftragter für Geschichte am Staatlichen
Seminar für Schulpädagogik (Gymnasien), Tübingen; Fachberater des Oberschulamtes Tübingen;

*
**