Olaf Kübler – So war’s – voll daneben (2006)

FrontCover1Der Olaf Kübler . ein Unikum und mehr als das …

Wenn es sowas wie personifizierte Rockmusik-Geschichte in Deutschland gibt, dann ist Olaf Kübler auf jeden Fall eine ihrer markantesten Nasen.
In seiner musikalischen Laufbahn als Saxophonspieler und Produzent (für United Artists) hatte der ursprüngliche Jazzer mit Namen wie Amon Düül, Doldingers Passport, Udo Lindenberg, Eberhard Schöner samt seinen damaligen Schützlingen The Police, Marius Müller-Westernhagen, Cans Jaki Liebezeit oder Paul Millns zu tun. Es kreuzten aber mehr oder weniger heftig seinen Weg auch King Elvis, Ike Turner, Stefan Remmler von Trio, der leibhaftige ‚Bodo Ballermann‘ oder der schräge Münchner ‚Isarindianer‘ Willy Michl. Und Kübler war nicht nur dabei, sondern mittendrin, wenn es in der Hochzeit des Sex & Drugs & Rock’n’Rolls rund ging!
Mittlerweile längst diesen Niederungen entkommen, spielt der fast 70-jährige Kübler heute wieder Jazz. Allerdings hat er seine Erinnerungen an die wilden Jahre für die Nachwelt festgehalten. Zunächst als Buch (demnächst hier in RockTimes) und dann auch auf CD, die vor einem Jahr herauskam. Da auf dem deutschen Jazz-Label ACT veröffentlicht, blieb dieses Werk der Rockwelt bisher wohl weitestgehend verborgen.

OlafKübler01
Höchste Zeit, diesen absolut unterhaltsamen Abriss über die Rockszene in Deutschland nun ausgiebig und gebührend vorzustellen und sie allen Fans wärmstens ans Herz zu legen!
Kübler ist ein glänzender, amüsanter und charmanter Plauderer, der gekonnt cool, aber pointiert, mit sonorer Stimme im korrekten Preußen-Deutsch seine Stories erzählt. Die haben es in sich, er nennt Namen und Orte und nimmt kein Blatt vor den Mund, was damals Sache war.
Das Ganze ist musikalisch ansprechend aufgepeppt, dafür hat sein langjähriger Mitstreiter Wolfgang Schmid als Komponist und Produzent gesorgt. Gemeinsam haben sie die Instrumente für die Begleitung eingespielt. Wohl aus Autorenlesungen stammen die meisten Textaufnahmen Küblers samt Publikumsreaktionen, die Schmid dafür ausgewählt und gesampelt hat. Teilweise mit Loops akzentuiert, rhythmisch angepasst und kombiniert mit den dazu gehörigen Sounds, wird daraus ein rockendes Hörbuch. So, wie wenn Lou Reed eine 50-minütige Monsterversion mit Variationen von „Walk On The Wild Side“ auf deutsch lässig raushauen würde.

OlafKübler02
Ansonsten wird die Geschichte von leichtem Ambient-Jazz über messerscharfen R’n’R, Indianer-Stomp, Psychedelic Rock, Phillysound-Gedudel bis zu sattem Funk umspült, was bestens dazu passt und mordsmäßig groovt. Dazwischen tauchen bekannte Songs auf, die Kübler mit seiner früheren Gruppe, der Olaf Stiletti Band, eingespielt hat. Zum runden Gelingen haben noch einige Gastmusiker beigetragen, die z.T. für amüsante O-Töne sorgten. Zwar werden einige Stücke etwas abrupt ausgeblendet, aber insgesamt ist das eine abgedrehte Mischung aus Text und Musik. Der Soundtrack zu den wilden spätsechziger, siebziger und achtziger Jahren der Rockmusik in Deutschland (und darüber hinaus).
Neben Stories um die großen Namen und deren hartes Dasein im Showbiz gibt’s auch einiges an Lokalkolorit mit den kaputten Typen aus der Szene, vom internationalen Tourleben und auch vom heimatnahen, das oft nicht minder ’strange‘ war. Oder Skurriles aus zugekifften Hirnen und da sei ihm auch der zeitliche Lapsus mit Phallus Dei und Herrn Wojtyla verziehen. So interessant die Erzählungen beispielsweise vom Oberkokser Ike Turner oder Elvis aus deren verschiedenen Karrierestationen sind, getoppt werden sie jedoch alle von (Der Musiker will in diesem blog nicht genannt werden) …  „und der Hirsch“. Was da eines Nachts auf dem Heimweg von einem Gig im Oberbayrischen passiert ist, das hätte sich ein Tom Sharpe oder ein Eckhard Henscheid auch nicht irrer ausdenken können. Vergesst die ganzen Comedy-Heinis – das ist der echte Stoff zum Ausflippen!
Fazit: Olaf Küblers „So War’s – Voll Daneben !“ ist eine Kultscheibe aus erster Hand. Daneben verblassen sämtliche Rock-Lexika und -Biografien, populär- und strengwissenschaftlichen Aufarbeitungen sowie Repräsentativ-Musiksampler samt deren Oberdurchblickern zur banalen Statistik. Der pure Rock’n’Roll in Wort und Sound (und von dem bisschen Jazz am Anfang braucht sich niemand zu fürchten). Wer den authentischen Wind voller Shit und Irrsinn jener Jahrzehnte spüren und sich dabei noch köstlich amüsieren will, der muss sich schleunigst „So War’s – Voll Daneben !“ reinziehen!
Das affenstarke Cover-Bild ist übrigens von Wigald Boning. (Norbert Neugebauer)

Oder auch: Olaf Kübler: Der komplette Wahnsinn .. wer´s nicht glaubt, sollte in dieses Album hineinhören !

Wolfgang Schmid

Besetzung:
Olaf Kübler (story teller + saxophones)
Wolfgang Schmid (bass + all other instruments)
+
Die Olaf Stiletti Band (bei 93., 07. 09. + 16.)
Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn
Dr. Lonnie Smith
Baldur Bockhoff, + Die Menzinger Chorknaben (bei 14.)

BackCover

Titel:
01. So war’s (Schmid/Kübler) 4.04
02. Elvis in Butzbach (Schmid/Kübler) 3.22
03. Jim Dandy (Lincoln/Chase) 1.97
04. … und der Hirsch (Schmid/Kübler) 1.07
05. Gifteln in Kronwinkl (Schmid/Kübler) 3.28
06. Die 35 Gramm Woche (Schmid/Kübler) 1.03
07. Papa Was A Rolling Stone (Barrett/Whitfield) 1.04
08. Ike Turner (Schmid/Kübler) 4.20
09. Livin‘ For The City (Wonder) 1.21
10. Paranoia (Schmid/Kübler) 1.11
11. Moskau (Schmid/Kübler) 8.53
12. Das Bein blieb stehn (Schmid/Kübler) 2.32
13. Krüppel-Henry (Schmid/Kübler) 4.08
14. Das interplanetarische ‚A‘ (Schmid/Kübler) 4.29
15. Epilog (Schmid/Kübler) 1.58
16. It’s Only Rock’n Roll (Jagger/Richards) 2.00

OlafKübler03

*
**

Olaf Kübler – When I’m 64 (2001)

FrontCover1Ne wirklich ganz eigene Nummer in der deutschen Rock- und Jazz-Szene ist der Olaf Kübler:

Olaf Kübler (* 8. September 1937 in Berlin) ist ein deutscher Jazz-Saxophonist. Er ist auch unter dem Alias Olaf Stiletti bekannt.

Kübler, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei seiner Mutter in Gießen aufwuchs, entdeckte durch die dort stationierten US-Amerikaner die Jazz- und Bluesmusik. Mit 17 Jahren erhielt er ein Altsaxophon. 1958 spielte er im Marburger Mac Reimann Sextett (prämiert auf dem Amateurfestival in Düsseldorf). 1959 studierte er in Köln bei Kurt Edelhagen Jazz; als Tenorsaxophonist war er Mitglied der Jazz Cookers (mit Manfred Schoof, Alexander von Schlippenbach und Jaki Liebezeit). Dann ging er mit Gunter Hampel auf Tournee. Nach zwei Jahren in der Schweiz zog er 1966 nach München um, wo er unter anderem mit Don Menza, Benny Bailey und im Joe Haider-Quintett spielte und bei Aufnahmen des Filmkomponisten Peter Thomas beteiligt war. 1967 nahm er mit dem Jazz-Ensemble des BR unter Pepsi Auer am Montreux Jazz Festival teil.

1969 wechselte er zur Rock- und Popmusik, wo er als Manager und Produzent der Band Amon Düül II bekannt wurde. Er machte mit Klaus Doldinger Film- und Fernsehmusik und war eines der Gründungsmitglieder der Band Passport.

OlafKübler02

Olaf Kübler mit Passport, 1971

1973 begann eine über zehnjährige Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg; unter anderem nahm er an dem legendären Auftritt Lindenbergs in Moskau teil. 1979 verklagte er Lindenberg wegen einiger, angeblich von Kübler stammender, Formulierungen in dessen Texten auf 500.000 Mark Schadenersatz. Der Rechtsstreit wurde 1981 durch einen Vergleich außergerichtlich beigelegt; eine neuerliche Klage wurde 2010 vom Gericht abgewiesen.

1978 begann seine Zusammenarbeit mit Eberhard Schoener. Zudem spielte er für die Popgruppe The Police (Saxophon-Solo der Single „Low Life“). Im Folgejahr machte er eine Tournee mit dem Blues-Barden Willy Michl durch Bayern. 1980 bis 1982 spielte er in der Band von Marius Müller-Westernhagen. Zwischen 1985 und 1990 entwickelte sich eine enge künstlerische Beziehung zu Paul Millns, mit dem er unter anderem „Finally Falls the Rain“ einspielte. Durch Millns fand er zurück zu seinen Jazz-Wurzeln. Heute lebt er in der Nähe von Frankfurt. (Quelle: wikipedia)

OlafKübler03

Freunde werden die wohl nicht mehr: Olaf Kübler & Udo Lindenberg

Dieser wikipedia Eintrag darf getrost als „Kurzeintrag“ gewertet werden, angesichts der Fülle von musikalischen Stationen des Olaf Küblers.

Von daher noch einige Ergänzungen durch den Jazzjournalisten Marcus A. Woelfle

Olaf Kübler gehört zu den bedeutensten Nachkriegsjazzern in Deutschland. Die erste Berührung mit dem Jazz vollzog sich in Teenagerjahren in Gießen, wo er in amerikanischen Soldatenclubs „Jump-music“ spielte. In der Kurt Edelhagen Jazzschule in Köln holte sich der Tenorsaxofonist den musikalischen Feinschliff. Er spielte mit Musikern wie Alexander von Schlippenbach, Jacki Liebezeit, Manfred Schoof, und Gunter Hampel, mit denen er durch Deutschland zog: „Das war wie im Bergwerk, Stollen sieben! Eine Stunde spielen, Viertelstunde Pause, und das achtmal am Abend. Für monatlich neunhundert Mark… Normalerweise hatten die Pianisten nach acht Stunden keine andere Möglichkeit, als ihre blutunterlaufenen Fingernägel in der Küche abzukühlen, nachdem sie den ganzen Abend in die meist kaputten Klaviere reingehämmert hatten. Noch heute erinnere ich mich an so manch einen begabten Musiker, wie er in der Küche weinte, weil er physisch nicht in der Lage war, diesen Mörderjob durchzuhalten.“ (aus Klartext/Voll daneben)

OlafKübler05

Olaf Kübler mit Frank Diez

Mitte der 1960er Jahre spielte er in seiner „Münchner Zeit“ im legendären Jazzlokal Domicile mit vielen Jazzgrößen der Zeit, wie z.B. Benny Bailey, Don Menza oder Mal Waldron.

Seine Liebe zum Jazz ist ihm nie verloren gegangen, jedoch bevorzugte er es Ende der 60er Jahre neben den vielen Jazzsessions weitere musikalische Herausforderungen anzunehmen: Als Produzent für United Artists Records und Initiator der legendären Underground-Band Amon Düül II produzierte er in 5 Jahren 10 sagenumwobene LPs, war auf Klaus Doldingers erster Passport-LP vertreten und arbeitete als Saxofonist für Film- und Fernsehen. Die 70er Jahre waren von seiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg geprägt, Engagements für Marius Müller-Westernhagen folgten. Nach einem Auftritt mit Peter Maffay in der ehemaligen DDR, entschloss er sich dem fulminanten Rock’n’Roll Leben ein Ende zu setzen.

Kübler spielt, wie er selbst sagt, „directly from the heart“. Die große Tiefe und Reife seines Spiels wird besonders eindrucksvoll in der Interpretation der Balladen deutlich: „Ich bin 64 Jahre alt, habe viel erlebt und in den letzten Jahren über vieles nachgedacht. Ich habe meine ganze Lebenserfahrung und mein Herz mit hinein gelegt, um sie so zu interpretieren, dass ich eine Gänsehaut bekomme, und die Leute auch.“

Ganz soviele Solo-Alben hat der Olaf Kübler ja nicht eingspielt, aber die hatten es eigentlich alle in sich.

So auch dieses Album, eingespielt mit Christoph Spendel (für mich einer der profiliertesten deutschen Jazzpianisten) und dessen Trio.

Wenn hier von „großer Tiefe und Reife“ gesprochen wird … ja … das kann man hören … ein Soätwerk des Olaf Küblers … das in der Tat Gänsehaut erzeugt … ganz sicher auch, weil er von dem Christoph Spendel Trio begleitet wurde.

Mehr als empfehlenswert … Good Jazz is still alive and well !

Und in einem Jahr … spätestens dann … höre ich mir dieses Album wieder an … when I´m 64.

OlafKübler04

Olaf Kübler mit dem Christoph Spendel Trio

Besetzung:
Kurt Billker (drums)
Olaf Kübler (saxophone)
André Nendza (bass)
Christoph Spendel (piano)

Booklet03A

Titel:
01. Hotel Ravel (Kübler) 4.10
02 Daughter’s Waltz (Kübler) 4:33
03. Blues For Nothing (Kübler) 5.04
04. One For Eddie (Kübler) 4.52
05. Robbin’s Nest (Thompson) 6.10
06. You Don’t Know What Love Is (Raye) 5.39
07. Knubbel Blues (Kübler) 6.01
08. Loverman (Ramirez) 7.34
09. Groove Passion (Spendel) 4.47
10. My Foolish Heart (Young) 4.46
11. Be Bop Salat 1 (Kübler) 3.50
12. Memories (Kübler) 4.01
13. Amazing Grace (Traditional) 2.55
14. Be Bop Salat 2 (Kübler) 4.12

CD1

*
**

OlafKübler01