Tschechische Philharmonie & Erika Pluhar – Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (Viktor Ullmann) (1995)

FrontCover1Die wohl letzte Komposition des Viktor Ullmann:

Viktor Ullmann (auch: Victor Ullmann; geboren am 1. Januar 1898 in Teschen, Österreich-Ungarn; ermordet am 18. Oktober 1944 in Auschwitz-Birkenau) war ein österreichischer Komponist, Dirigent und Pianist.

Viktor Ullmanns Eltern entstammten beide jüdischen Familien; sie waren allerdings schon vor Viktors Geburt zum katholischen Glauben konvertiert. Der Vater Maximilian Ullmann konnte als assimilierter Jude die Laufbahn eines Berufsoffiziers einschlagen. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Oberst befördert und in den Adelsstand erhoben.

Viktor besuchte ab 1909 ein Gymnasium in Wien. Seine musikalischen Neigungen und Begabungen verschafften ihm früh Zugang zu Arnold Schönberg und seinem Schülerkreis. Unmittelbar nach dem Schulabschluss meldete er sich freiwillig zum Militärdienst. Nach dem Einsatz an der Isonzofront wurde ihm ein Studienurlaub bewilligt, den er zum Einstieg in das Jura-Studium an der Wiener Universität nutzte und dabei auch Vorlesungen von Wilhelm Jerusalem besuchte.

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Anfang Oktober 1918 wurde er auch in Schönbergs Kompositions-Seminar aufgenommen. Er studierte bei Schönberg selbst Formenlehre, Kontrapunktik und Orchestrierung. Ullmann war ein ausgezeichneter Pianist, wenn auch ohne Ambitionen auf eine Solistenkarriere.

Im Mai 1919 brach er beide Studien ab und verließ Wien, um sich in der Folgezeit in Prag ganz der Musik zu widmen. Sein Mentor wurde nun Alexander von Zemlinsky, unter dessen Direktion er bis 1927 Kapellmeister am Prager Neuen deutschen Theater war. 1923 begann mit den 7 Liedern mit Klavier eine Serie erfolgreicher Uraufführungen seiner Kompositionen, die bis Anfang der 1930er Jahre andauerte („Sieben Serenaden“). Auf dem Genfer Musikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) (1929) erregten die Schönberg-Variationen Aufsehen, ein Klavierzyklus nach einem Thema seines Wiener Lehrers. Fünf Jahre später wurde er für die Orchesterfassung dieses Werks mit dem nach dem ehemaligen Direktor der Universal Edition benannten Emil-Hertzka-Preis ausgezeichnet.

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Von 1929 bis 1931 war Ullmann Kapellmeister und Bühnenmusik-Komponist am Schauspielhaus Zürich. Interessiert an der von Rudolf Steiner begründeten Anthroposophie, betrieb er weitere zwei Jahre eine anthroposophische Buchhandlung in Stuttgart (1931–1933), bevor er ab Mitte 1933 wieder ständig in Prag lebte, wo er als Musiklehrer und Journalist tätig war. Von 1935 bis 1937 nahm er Kompositionsunterricht bei Alois Hába, dessen Vierteltontechnik er allerdings nur in einer einzigen Komposition (der Klarinetten-Sonate op. 16, 1937) anwandte (nur das Autograph der Klarinettenstimme ist erhalten). In den Werken der 1920er Jahre hatte er sich noch deutlich an Schönbergs frei-atonalen Werken orientiert (insbesondere an der Kammersinfonie op. 9, an den George-Liedern op. 15 und an Pierrot Lunaire op. 21). Die ab Mitte der 1930er Jahre entstandenen Kompositionen zeichnen sich aus durch die selbständige Weiterentwicklung der von Schönberg empfangenen Anregungen (2. Streichquartett, 1. Klaviersonate) und durch die Auseinandersetzung mit der Oper Wozzeck von Alban Berg (Oper Der Sturz des Antichrist). Eine neuartige Harmonik zwischen Tonalität und Atonalität (Ullmann sprach selbst von „Polytonalität“), hochgespannter musikalischer Ausdruck und meisterliche Beherrschung der formalen Gestaltung gehören zu den Charakteristika von Ullmanns neuem, nunmehr unverwechselbarem persönlichen Stil.

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Viktor Ullmann war Freimaurer in Prag. Er wird auf der Mitgliederliste der Großloge Lessing zu den drei Ringen geführt und publizierte ab 1934 mehrfach als „Bruder Viktor Ullmann“ in der Reichenberger Freimaurerzeitschrift Die drei Ringe.

1942 wurde Ullmann ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er – immer noch an das Positive im Menschen glaubend – trotz Hunger und großer Probleme in der Bewältigung des Theresienstädter Lagerlebens um ein reiches Musikleben besorgt war und einen beträchtlichen Teil seiner Werke schuf. Er schrieb: „Zu betonen ist nur, dass ich in meiner musikalischen Arbeit durch Theresienstadt gefördert und nicht etwa gehemmt worden bin, dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und dass unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat war.“

Am 16. Oktober 1944 wurde Ullmann gemeinsam mit Pavel Haas und Hans Krása nach Auschwitz-Birkenau deportiert und kurz nach seiner Ankunft durch Vergasung ermordet.

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Bis zur Deportation erreichte seine Werkliste die Opuszahl 41 und enthielt u. a. weitere drei Klaviersonaten, Liederzyklen nach verschiedenen Dichtern, Opern und das Klavierkonzert op. 25, das er im Dezember 1939, d. h. 9 Monate nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Prag, vollendete. Der größere Teil dieser Werke ist verschollen; die Manuskripte gingen wahrscheinlich während der Besatzungszeit verloren.

Erhalten blieben 15 Drucke seiner zwischen 1936 und 1942 entstandenen Kompositionen, die Ullmann im Selbstverlag herausgegeben und einem Freund zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Im Ghetto Theresienstadt blieb Ullmann weiter musikalisch aktiv: Er wirkte als Klavierbegleiter, organisierte Konzerte („Collegium musicum“, „Studio für neue Musik“), schrieb Kritiken über musikalische Veranstaltungen und komponierte. Sein Theresienstädter Nachlass blieb nahezu vollständig erhalten und umfasst – neben Chorkompositionen, Liederzyklen und einer Bühnenmusik – so gewichtige Werke wie die letzten drei Klaviersonaten, das 3. Streichquartett, das Melodram nach Rilkes „Cornet“-Dichtung und die Kammeroper  (wikipedia)

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Seine vermutlich letzte Komposition bezieht sich auf eine Erzählung von Rainer Maria Rilke:

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist der Titel einer kurzen Erzählung von Rainer Maria Rilke (1875–1926). Sie entstand unter dem Titel Der Cornet nach Angaben des Autors innerhalb einer Nacht im Jahr 1899 in der „Villa Waldfrieden“ in Berlin-Schmargendorf und erlangte durch ihre Veröffentlichung in der Insel-Bücherei 1912 weite Verbreitung und Bekanntheit.

Ausgangspunkt der Erzählung ist ein Regest (die Zusammenfassung einer Urkunde) in einer alten Chronik. Das Dokument berichtet von der Übertragung des Besitzanteils Christoph Rilkes, der 1663 im Türkenkrieg gefallen war, an seinen Bruder Otto. Alternativ zum kurzen Chronikeintrag bietet Rilke die Geschichte vom Zug des Christoph Rilke von Langenau nach Ungarn und seinem dortigen Tod an.

Die Originalausgabe aus dem Insel-Verlg, Leipzig, 1912:
Original Buchausgabe

Der 18-jährige Adelige reitet mit anderen Soldaten nach Ungarn, um gegen die dort eingefallenen Türken zu kämpfen. Ein französischer Marquis wird dabei sein Freund. Von einer Rose, die der Marquis von seiner Geliebten erhalten hat, schenkt er von Langenau beim Abschied ein Rosenblatt, das ihn beschützen soll. Aufgrund eines Empfehlungsschreibens wird von Langenau zum Cornet, zum Fahnenträger ernannt. Seiner Mutter schreibt er daraufhin stolz einen Brief, den er neben dem Rosenblatt verwahrt. Jenseits des Grenzflusses Raab – an deren Ufern die entscheidende Schlacht bei Mogersdorf stattfinden sollte – übernachtet von Langenau mit seiner Kompanie in einem Schloss. Mit der Gräfin verbringt er die Nacht im abseits gelegenen Turmzimmer. Während der Nacht wird das Schloss von den Türken angegriffen und in Brand gesteckt. Um die Fahne zu retten und zu seiner bereits aufgebrochenen Truppe zu gelangen, verzichtet er auf Waffenrock und Helm, läuft durch die brennenden Gemäuer und reitet aus dem Schloss. Mit der brennenden Fahne findet er sich allein mitten unter den Feinden wieder und fällt.

Prospekt der ersten zwölf Ausgaben der Insel-Bücherei,  1912
Prospekt 1912

Die lyrisch-impressionistische Prosa vermittelt Gefühle von Jugend und Lebenshunger, Liebe und Tod. Besonderer Popularität erfreute sich die Soldatenballade aus dem 17. Jahrhundert in der Zeit der beiden Weltkriege. Das letztlich zeitlos-universelle Schicksal des jungen Soldaten schwankt zwischen Glorifizierung des Heldentodes und der Sinnlosigkeit (jungen) Sterbens, Gefühlen von überzogener Ehre, Verlust und Traurigkeit. Dem Langemarck-Mythos zufolge hatten die „jungen“ Regimenter das Deutschlandlied auf den Lippen und „Rilkes Cornet im Tornister“. Eine besondere Wirkung hatte Rilkes Cornet auf Alexander Lernet-Holenia, der Motive daraus etwa in seiner Szene zur Totenfeier für Rainer Maria Rilke (1927) und seiner Novelle Der Baron Bagge (1936) aufnahm.

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„Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ ist offenbar das letzte von Viktor Ullmann im Konzentrationslager Theresienstadt skizzierte Werk. Anders als bei den aus den Klaviersonaten 5 und 7 erwachsenden zwei Sinfonien hatte Ullmann hier zunächst offenkundig an ein Orchester-Melodram gedacht, erst später erfolgte der Zusatz für Sprecher und Orchester oder Klavier.

In dieser Form ist das Werk offenbar mehrmals in Theresienstadt aufgeführt worden. Lediglich das erste Musikstück hat Ullmann selbst orchestriert, die Grundzüge der Orchestration in dem nur schwer entzifferbaren Manuskript jedoch ausführlich eingetragen.

Noten

Aus der Prosadichtung von Rainer Maria Rilke wählte Ullmann in sensibler Verknappung der Handlung 12 Abschnitte. Bis auf die Eliminierung einiger ohne die Rahmenhandlung unverständlicher, sich auf die Rosenblatt-Episode beziehender Sätze sind die übernommenen Texte ungekürzt. Nach einer Anweisung Ullmanns im Autograph gibt die angegebene Textverteilung über den Noten nur das ungefähre Zusammentreffen wieder. (stretta-music.de)

„Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ gilt als eine der bedeutendsten zur Kunstform des Melodrams. Ihr Markenzeichen sind Werke für Sprecher und Klavier, in denen Wort und Musik unmittelbar miteinander verschmelzen. Die Komposition ist eine Art Bindeglied zwischen den romantischen Melodramen und der zeitgenössischen Literatur, das an vielen Stellen gegenwärtige Kompositionsansätze vorwegnimmt.

Un es überrascht nicht, dass Erika Pluhar mit ihrem intensiven Vortragsstil die Komposition veredelt.

Und es überrascht nicht, dass ein Gerd Albrecht sich dieser Komposition als Dirigent angenommen hat. War er doch dafür bekannt, sich sehr gerne außergewöhnlichen Kompositionen der Klassik anzunehmen.

Und es ist ein ganz bitterer „Witz“, dass ein Jude sich dieses doch „ur-deutschen“ Textes angenommen hat.

Als Bonus habe ich noch ein WDR Radioportait des Komponisten angefügt (Autor: Christoph Vratz)

Live-Mitschnitt aus dem Wiener Konzerthaus (Wiener Festwochen), 28. Mai 1995 (ORF)

Viktor Ullmann07

Besetzung:
Erika Pluhar (Sprecherin)
+
Tschechische Philharmonie unter der Leitung von Gerd AlbrechtGerd Albrecht02

Titel:
01. Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (Teil 1) 12.24
02. Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (Teil 2) 16.46
+
03. Portrait Viktor Ullmann (WDR; 2016) 14.34

Musik: Viktor Ullmann
Text: Rainer Maria Rilke

Erika Pluhar01

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Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag.

Reiten, reiten, reiten.

Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben? Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muß also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.

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Radio-Symphonie-Orchester Berlin & RIAS-Kammerchor (Gerd Albrecht) – Manfred Op.115 (Schumann) (1985)

FrontCover1Jetzt mal den „Manfred“ … Ein  dramatisches Gedicht in drei Abteilungen op. 115. Es ist eine Schauspielmusik von Robert Schumann. Das Werk basiert auf dem Poem Manfred von Lord Byron und besteht aus einer Ouvertüre, einem Entracte, Melodramen, verschiedenen Solonummern und Chören.

Und darum geht´s:

Manfred ist der Titel eines dramatischen Gedichts in drei Akten von Lord Byron, das in vollständiger Form erstmals im Juni 1817 bei John Murray erschien. Es zählt zu den wichtigsten Werken nicht nur Byrons, sondern der ganzen Romantik.

Das Werk entstand zwischen 1816 und 1817 und ist sichtlich inspiriert von Byrons Aufenthalt in der Schweiz im Jahr 1816, während dessen er zahlreiche Wanderungen in die Hochalpen unternahm.

6th Lord Byron, Porträt von Thomas Phillips (1813; Newstead Abbey):
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Byron begann im Juli 1816 mit der Arbeit an dem Gedicht und veröffentlichte im Dezember 1816 eine erste Fassung der Incantation („Beschwörung“, ein „Chor aus einem unvollendeten Hexen-Drama, das vor einigen Jahren begonnen wurde“) als eigenständigen Text in The Prisoner of Chillon and Other Poems. Diese Incantation fand in überarbeiteter Form dann Eingang in die Eröffnungsszene des späteren Gesamtwerks in drei Akten, das von Byron im Mai 1817 vollendet und erstmals in vollständiger Form im Juni 1817 veröffentlicht wurde.

Byrons Werk entstand in der Tradition der Gothic Novel und zählt zusammen mit dem Roman Frankenstein der befreundeten Mary Shelley zu den wichtigsten Werken der Schauerliteratur in der englischen Romantik.

Der Protagonist Manfred befindet sich auf einer gotischen Galerie mitten in einer Geisterbeschwörung. Von den erscheinenden Elementargeistern begehrt er Vergessen. Als die Geister seinen Wunsch nicht erfüllen können, bricht Manfred zusammen. Am nächsten Morgen erwacht er auf dem Gipfel der Jungfrau im Berner Oberland. Er will sich in den Tod stürzen, wird aber von einem einfachen Gämsjäger davon abgehalten.

Gustave Doré: Manfred und die Fee, Holzstich, 1853:
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Manfred verlässt den Gämsjäger und trifft an einem Wasserfall eine Fee, der er sein Leid klagt. Hier werden die Gründe für Manfreds Weltschmerz deutlich: unzureichende Welt-Erkenntnis und der Tod seiner Geliebten Astarte. Danach kehrt er zurück auf den Berg und begegnet dort Geistern und der Göttin Nemesis, die auf Manfreds Flehen hin einwilligt, seine Geliebte Astarte aus dem Reich der Toten zu rufen, damit er mit ihr sprechen könne. Astarte spricht jedoch nur seinen Namen und sagt, sein Leiden werde am kommenden Tag enden. Manfred will von ihr wissen, ob ihm seine Sünden vergeben seien, doch er erhält keine Antwort.

Manfred wird auf seinem Schloss von einem Abt aufgesucht, dem Manfreds Verbindungen zu finsteren Mächten zu Ohren gekommen sind. Manfred weist die Versuche des Abtes, ihn zur Buße zu bewegen, dankbar, aber entschieden zurück. Abends unterhalten sich die Diener Hermann und Manuel über frühere geheimnisvolle Experimente ihres Herrn. Diese Zusammenhänge werden jedoch im Laufe des Dramas nicht aufgeklärt. In der letzten Szene erscheint der Abt erneut und findet Manfred, dem Tode nah, in seinem Zimmer vor. Manfred weist jedoch die erneuten Versuche des Abts, ihn zur Buße und damit zur Errettung seiner Seele zu bewegen, zurück.

Ford Madox Brown: Manfred on the Jungfrau, Gemälde 1842:
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Gleichfalls trotzt er aber auch finsteren Geistern, die ihn im Todeskampf bereits als ihr Eigentum ansehen. Er sei dem Tod verfallen, aber nicht der Hölle. Die Dämonen verschwinden, Manfred stirbt. Der Abt beschließt das Drama, indem er seiner bangen Ungewissheit, wohin die Seele Manfreds nun gelangen würde, Ausdruck verleiht.

Die Geisterbeschwörungsszene zu Beginn legt auffällig wenig Wert auf die Einführung des Protagonisten. Erst im Verlauf des Dramas werden die Vergangenheit und die Handlungsmotive Manfreds ersichtlich.

Die Szene weist bezeichnende Parallelen zu Goethes Faust auf, wo der Protagonist ebenfalls aufgrund unzureichender Erkenntnis einen Geist beschwört, dem er gleichen will. Byron wollte sein Drama auch als Antwort auf Goethes Faust verstanden wissen.

Manfred ist ein Musterbeispiel für den tragischen Figurentypus des Byron’schen Helden. Er ist zwar emotional verwirrt und seelisch labil, aber bereit, für alle seine Taten die Konsequenzen zu tragen. Dass er zuletzt sowohl die Drohungen der Geister als auch die Segnung des Abtes zurückweist, hebt seinen Anspruch auf völlige Individualität hervor.

Neben dieser Betonung der Individualität können auch die wildromantisch-alpine Szenerie und die Präsenz von Geistern und mittelalterlichen Gebäuden als typische Elemente der Romantik erkannt werden. (wikipedia)

Johann Peter Krafft: Manfreds Sterbestunde, Öl auf Leinwand, 1825:
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Und zur Entstehungsgeschichte des Werkes von Robert Schumann:

Robert Schumann (* 8. Juni 1810 in Zwickau, Königreich Sachsen; † 29. Juli 1856 in Endenich, Rheinprovinz, heute Ortsteil von Bonn) war ein deutscher Komponist, Musikkritiker und Dirigent. Er wird heute zu den bedeutendsten Komponisten der Romantik gezählt. In der ersten Phase seines Schaffens komponierte er vor allem Klaviermusik. 1840, im Jahr seiner Eheschließung mit der Pianistin Clara Wieck, schrieb er knapp 150 Lieder. In den folgenden Jahren entwickelte sich sein Werk zu großer Vielfalt: Er komponierte von da an auch Orchestermusik (darunter vier Sinfonien), konzertante Werke, Kammermusik, Chormusik und eine Oper.

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Robert Schumann besaß eine literarisch-musikalische Doppelbegabung. Gedichte, künstlerische Prosa, Dramenentwürfe und musikalische Kompositionen standen in jungen Jahren gleichberechtigt nebeneinander. Erst nach 1830 wurde die Musik zum Mittelpunkt seines Lebenskonzeptes, und er verstand sich selbst als Tondichter. Sowohl in seinen Kompositionen als auch spätestens ab 1834 mithilfe seiner literarischen Arbeiten strebte er nach einer zukunftsträchtigen, poetischen Musik, wobei er sich von der Programmmusik Franz Liszts distanzierte.

Vielen Zeitgenossen galten seine Werke als zu schwierig. Lange hielt sich das Bonmot, er habe als Genie begonnen und als Talent geendet, die späten Werke seien von seiner in die psychiatrische Klinik führenden Krankheit geprägt. Mit der musikwissenschaftlichen Diskussion des Spätwerkes hat sich der Blick darauf verändert. Schumanns Gesamtwerk wird inzwischen anerkannt, er gilt als einer der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts.

Robert Schumann im März 1850, Zeichnung von Adolph Menzel nach einer Daguerreotypie von Johann Anton Völlner:
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Schumann hatte bereits als junger Student Byrons Dichtung Manfred gelesen. Hierüber schreibt er am 26. März 1829 in sein Tagebuch: Bettlectüre: Manfred v. Byron – schrekliche Nacht. Aber erst 1848 benutzte Schumann für seine Komposition die deutsche Übersetzung von Karl Adolf Suckow, die er durch seine Schwiegermutter Mariane Bargiel kennengelernt hatte. Suckow dachte bei seiner Übersetzung von vornherein an eine Vertonung und schrieb dazu in seiner Einleitung, es würde nun „darauf ankommen, daß Manfred einen Componisten findet, welcher nicht hinter dem Inhalte zurückbleibt, um die unvergleichlich große Bedeutung hervortreten zu lassen, welche er für die Reformation des Theaters zu gewinnen bestimmt ist.“ Anschließend heißt es: „Und dies sind Sie, Herr Felix Mendelssohn Bartholdy; ich richte ohne weitere Umwege den Angriff meiner Wünsche unmittelbar auf Sie selbst, und ich werde dafür sorgen, daß dies Buch als das Zeugniß derselben bald in Ihre Hände kommt.“ Ob Mendelssohn das Buch tatsächlich erhielt, ist nicht bekannt.

Schumann begann mit der Komposition am 4. August 1848 in Dresden, wo er zu dieser Zeit lebte. Am 4. Dezember 1848 schrieb seine Schwiegermutter Mariane Bargiel an ihren Sohn Woldemar Bargiel: „Clara schreibt mir viel über Robert’s Thätigkeit; er hat sich wirklich an den Manfred von Byron, den ich von Altheyde mitbrachte, gemacht, dramatisch bearbeitet und componirt schon fleißig daran; das macht mir Freude; es soll aber Niemand etwas davon wissen, also still davon!“ 1851/52 unterzog Schumann das Werk in Düsseldorf einer gründlichen Revision.

Notenausgabe

Der Komponist hielt das Werk von der Form her für etwas völlig Neues und schrieb dazu am 5. November 1851 an Franz Liszt: „Wir haben gestern die Ouvertüre zu Manfred probiert; meine alte Liebe zur Dichtung ist dadurch wieder wach geworden. Wie schön, wenn wir das gewaltige Zeugnis höchster Dichterkraft den Menschen vorführen könnten! Sie gaben mir Hoffnung dazu; haben Sie einmal wieder darüber nachgedacht?“ […] „Das Ganze müßte man dem Publikum nicht als Oper oder Singspiel oder Melodram, sondern als „dramatisches Gedicht mit Musik“ ankündigen – Es wäre etwas ganz Neues und Unerhörtes.“

Die Uraufführung der Ouvertüre erfolgte am 14. März 1852 im Leipziger Gewandhaus unter Schumanns Leitung. Die Uraufführung des gesamten Werks fand – in szenischer Form – schließlich am 13. Juni 1852 im Weimarer Hoftheater unter der Leitung von Franz Liszt statt. Regie führte Eduard Genast. Schumann konnte daran nicht teilnehmen. (wikipedia)

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Zu wenig dramatische Zuspitzung, zu wenig Musik? Was eigentlich kann der Grund dafür sein, dass Robert Schumanns „Manfred“ op. 115 den Weg in das musikalische Bewusstsein der Hörer nicht findet? Ist es die verstörend radikale Subjektivität, die den von Schumann auf verknapptesten Handlungsraum zusammengezogenen Text von Lord Byron kennzeichnet? Ist es die Tatsache, dass Schumann musikalisch kaum illustriert, vielmehr bis zur Grenze der Lakonik „nur“ Atmosphäre schafft?
Wie auch immer, dieses „dramatische Gedicht“ sollte endlich gebührend zur Kenntnis genommen werden. Und nicht nur die Ouvertüre, zweifellos eine von Schumanns großartigsten Schöpfungen, die man sich in der Aufnahme des Deutschen Sinfonieorchesters Berlin unter Gerd Albrecht schärfer konturiert vorstellen könnte. Rundherum erfreulich ist, mit welcher Sensibilität Albrecht die atmosphäreschaffenden Nuancen aushorcht, nie krampfhaft um dramatische Illustration bemüht ist. Dramatisch aufbegehren darf der RIAS-Kammerchor im Umkreis der Arimans-Geschichte. Gerd Albrecht lässt ihn dort ebenso präzise ausbrechen, wie er ihn zu einer homogenen Klanglichkeit im „Requiem“ führt. Die vier Vokalsolisten nutzen ihre geringeren Profilierungsmöglichkeiten.

Noten

Wahrhaft im Zentrum aber steht der Manfred des Klausjürgen Wussow. Wie er aus der goetheschen Faust-Nähe durch die Unterstreichung eigenen Verschuldens und Scheiterns an sich selbst zu der besonderen Figur wächst, das wird mit bewundernswerter Artikulation, Intonation und einer heute schon oft verschütteten Pausenbewusstheit vorgeführt. Wenn diese Aufnahme dazu beitragen könnte, Schumanns Werk dem Konzertsaal zu gewinnen, dann durch Wussows Sprecherleistung. Und sollte ein Hörer das Selbstbewusstsein eines romantischen Helden, sein „ich fuße auf der eigenen Kraft“ nicht ertragen, überdauernd bleibt doch am Schluss das „Lux perpetua“, eine Idee, die bis in die Gegenwart von Udo Zimmermanns „Psalm der Nacht“ hinein fortgewirkt hat. (Alfred Kornemann)

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Nun gut … mir persönlich ist diese Geschichte dann doch zu pathetisch … ich kann halt mit diesem „dramatischm Gedicht“ kaum etwas anfangen, daran ändern die z.T. schon beeindruckende Musik (insbesondere die „Overtüre“) nichts ändern.

Die Balance zwischen Musik und all der Monologe/Dialoge ist allerdings miserabel.

Aufgenommen in der Jesus-Christus-Kirche, Berlin, 1985

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Besetzung:
Radio-Symphonie-Orchester Berlin + RIAS-Kammerchor unter der Leitung von Gerd Albrecht
+
Gabriele Schreckenbach (Alt)
Alejandro Ramirez (Tenor)
Gudrun Sieber (Sopran)
Harald Stamm (Bass)
+
Sprecher/innen:
Ingrid Hoffman (Parze)
Christa Lorenz (Nemesis)
Horst Schön (Abt)
Mona Seefried (Astare)
Manfred Tümmler (Geist)
Klausjürgen Wussow (Manfed)

Alternatives Front +Back Cover:
AlternativesFront+BackCover

Titel:
01. Overtüre 11.20
02. Monolog 2.54
03. No. 1 Gesang der Geister 3.24
04. Dialog 0.54
05. No. 2 Erscheinung eines Zauberbildes 1.10
06. No. 3 Geisterbannfluch 4.03
07. Monolog + No. 4 Alpenkuhreigen 3.26
08. No. 5 Zwischenaktmusik 2.09
09. Monolog 0.35
10. No. 6 Rufung der Alpenfee 1.39
11. Dialog 5.43
12. Monolog 1.46
13. No. 7 Hymnus der Geister Arimans 2.35
14. Dialog 0.19
15. No. 8a Chorus / No. 8b Chorus 1.22
16. No. 9 Beschwörung der Astarte 1.07
17. Monolog 0.29
18. No. 9 Fortsetzung 0.25
19. Dialog 0.16
20. No. 10 Manfreds Ansprache an Astarte 4.40
21. Dialog 0.17
22. No. 11 Melodrama 2.19
23. Dialog 2.52
24. No. 12 Abschied von der Sonne 2.21
25. Dialog 0.20
26. No. 13 Melodrama 1.33
27. No. 14 Klostergesang 3.40

Musik: Robert Schumann
Text: George Gordon Byron

LabelB1

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Gerd Albrecht (* 19. Juli 1935 in Essen; † 2. Februar 2014 in Berlin) war ein deutscher Dirigent.

Gerd Albrecht wurde 1935 in Essen als Sohn des Musikwissenschaftlers Hans Albrecht (1902–1961) und einer Pianistin geboren. Nach Studienjahren in Kiel und in Hamburg bei Wilhelm Brückner-Rüggeberg gewann Gerd Albrecht als 22-Jähriger den Ersten Preis beim Concours international de jeunes chefs d’orchestre de Besançon. Er entschied sich nicht für den schnellen Karriereweg, sondern begann 1958 als Assistent an der Stuttgarter Oper. 1961 wurde er aber schon 1. Kapellmeister in Mainz und 1963 jüngster Generalmusikdirektor (GMD) Deutschlands in Lübeck. 1966 ging er für sechs Jahre als GMD nach Kassel und führte Erklärkonzerte für Kinder und Jugendliche ein. Er übernahm 1972 als Ständiger Dirigent die musikalische Oberleitung der Deutschen Oper in Berlin. Von 1975 bis 1980 leitete er das Tonhalle-Orchester Zürich, danach arbeitete er acht Jahre lang frei in den wichtigsten Musikzentren der Welt.

Von 1988 bis 1997 war Albrecht Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters in Hamburg. Von 1993 bis 1996 war er als erster Ausländer Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag, wo es zu erheblichen Spannungen kam. 1998 leitete er das Dänische Radio-Sinfonieorchester Kopenhagen. Zudem leitete er das Bundesjugendorchester.

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Albrechts Schwerpunkte lagen in der Musik der Romantik, wobei er auch selten gespielte Werke aus dieser Epoche aufführte. Viele seiner zahlreichen Schallplatteneinspielungen wurden preisgekrönt. Daneben setzte er sich intensiv, auch im Fernsehen mit seinen Gesprächskonzerten, für die Neue Musik ein. In seiner Hamburger Zeit, jedoch oft nicht mit ihm als Dirigenten, wurden Werke von Wolfgang Fortner, György Ligeti, Wolfgang Rihm, Hans Werner Henze und Aribert Reimann uraufgeführt, außerdem Alfred Schnittkes Historia von D. Johannes Faustus, Alexander Zemlinskys Der König Kandaules, Rolf Liebermanns Freispruch für Medea und Helmut Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern. Auftragswerke vergab er u. a. an Krzysztof Penderecki. Er führte Werke von Hans Krása, Viktor Ullmann und Erwin Schulhoff auf, die vom Nationalsozialismus verfemt worden waren, und lud Robert Wilson ein, in Hamburg Wagners Parsifal zu inszenieren.

Albrecht setzte sich sehr dafür ein, junge Menschen für die Musik zu begeistern; in zahlreichen Fernsehsendungen erläuterte und dirigierte er vor jugendlichem Publikum. 1974 erhielt er dafür den Adolf-Grimme-Preis. In der Reihe „Klassik für Kinder“ erklärte er Kindern klassische Werke wie etwa Die Moldau, Peter und der Wolf oder Der Zauberlehrling.

1989 gründete Albrecht die Hamburger Jugendmusikstiftung und Klingende Museen in Hamburg und Berlin. 1984 wurde er mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet. Albrecht war seit 1994 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München und der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

Gerd Albrecht starb im Februar 2014 nach langer Krankheit. Er ist im Burgenland begraben. (wikipedia)

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Gerd Albrecht – Musikinstrumente – und wie man sie spielt (1975 – 1977)

Musikinstrumente01ASchon einmal war hier von dem großartigen Gerd Albrecht zu reden und zwar im Zusammenhang mit der LP Der Zauberlehrling. Schon damals war ich hellauf begeistert von Albrecht´s Intention, die klassische Musik aus ihrem Elfenbeinturm zu befreien und sie verständlich und nachvollziehbar – nicht nur für Kinder – zu machen.

Und auch der Leser Jan R. schrieb damals einen Leserbrief mit den Zeilen:

Albrechts Einführungskonzerte in Wagners „Fliegenden Holländer“ und einige andere Wagner-Opern sind mir unvergessen. Auch wenn ich manchmal den Eindruck hatte, dass die Schulklassen im Saal teilweise völlig desinteressiert waren: Wenn sich auch nur EINEM der Zauber dieser Werke erschlossen hat, dann war es Albrechts Mühe wert.

Hier ein weiteres Beispiel seines Anliegens, diesmal in Form eines Büchleins (65 Seiten). Erschienen ist es im Jahr 1975, mir liegt die 2. Auflage aus dem Jahr 1977 vor und ursprünglich war dieses Exemplar im Bestand der Stadtbibliothek München.

Später (ich glaube im Jahr 2003) erschien dann noch eine überarbeitete Fassung; diesem Buch lag dann noch eine CD mit Hörbeispielen bei (noch, ich betone: noch liegt mir diese Neuauflage nicht vor).Dieses Buch wurde dann auch in die Empfehlungsliste pädagogisch wertvoller Bilderbücher 2004 der Gesellschaft für Jugend- und Sozialforschung GJSF. aufgenommen.

GerdAlbrechtWie der Titel schon sagt, geht es hier darum, all die klassischen Musikinstrumente darzustellen, zu erläutern und ihre Spielweise zu erklären:

„Man kann das Schlaginstrumentarium auch mit einer Zauberküche vergleichen. Wie ein guter Koch seine Gewürze mit feiner Zunge abstimmt, nachdem er sie mit geschickter Hand verteilt hat, so kann der findige Schlagzeuger in seiner Zauberküche die schönsten Leckerbissen für unsere Ohren zubereiten …“

So bildreich führt Gerd Albrecht in seinem Buch „Musikinstrumente und wie man sie spielt“ kleine und große Leser – spielerisch und informativ zugleich – durch das Orchester. Entstehungsgeschichte, bauliche Merkmale, Tonerzeugung, Klang und Spielweise der Instrumente werden leicht verständlich und anschaulich geschildert. „Welches ist das älteste Instrument des Orchesters? Wo hat die Pauke auf dem Podium ihren Platz? Was ist ein „Zitronenmund“ und welche Rolle spielt er für einen Bläser?“

Und wer sich ein bisschen mehr für Musik interessiert, kommt an einer Art Instrumentenkunde eigentlich gar nicht herum und von daher kann ich dieses Büchlein zum und als Einstieg nur empfehlen. Es wurde geschrieben von einem – wie ich vermute  – großem Humanisten – dem die Wissensbildung- und vermittlung ohne akademischem Dünkel ein Anliegen war.

Und die Illustrationen von Camillo Osorovitz aus Paris sind einfach nur gut und entsprechen irgendwie auch dem Charme eines Loriots.

Und man besuche seine website, die auch nach seinem Tode im Februar 2014), weiter geführt wird. Dort erfährt man dann z.B. mehr über sein Projekt „Klingendes Museum“, das man sich in Hamburg bzw. Berlin anschauen kann.

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Hier ein paar Vorschaubilder, bevor es dann zur Präsentation geht:

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Musikinstrumente02A

Gerd Albrecht – Erklärt und dirigiert „Der Zauberlehling“ von Paul Dukas (1986)

FrontCover1Selten traf für mich das Prädikat „pädagogisch wertvoll“ so zu, wie bei diesem musikalischem Hörbuch des Dirigenten Gerd Albrecht:

Seit über 30 Jahren moderiert Gerd Albrecht spezielle Konzerte für Kinder, in denen er große Werke der Musikgeschichte spannend und anschaulich erklärt. Zahlreiche Aufnahmen solcher Konzerte erhielten Auszeichnungen. Seine Erzählversion von Paul Dukas‘ Tondichtung nach Goethes Ballade Der Zauberlehrling gehört in diese Reihe.

Dukas‘ Tondichtung eignet sich besonders gut, um musikalische Ausdrucksmittel zu erklären. Die Musik an sich ist schon so bildhaft, dass sie die Phantasie der Kinder mit Leichtigkeit anregen kann. Zunächst erzählt Gerd Albrecht jeweils den außermusikalischen Inhalt des Werkes und weist auf verschiedene Stilmittel und Effekte in der Musik hin. Danach folgt die zusammenhängende Interpretation des Zauberlehrlings mit dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin.

Der französische Komponist Paul Dukas folgt in seinem „Scherzo nach der Ballade von Goethe“ dem Gedicht teilweise ganz genau, teilweise verweilt er in großartigen musikalischen Bildern. Die angstvolle Stimmung des Zauberlehrlings beispielsweise („Kommt der Alte wieder? Was wird geschehen?“) charakterisiert das Orchester durch die mit Dämpfer spielenden Violinen, die Harfe spielt die Melodie mit abgedämpften Handballen und das angstvolle Herzflattern des Kleinen kommt in den Holzbläsern zum Ausdruck. Der Besen hat sein eigenes Instrument, nämlich das Fagott und die Zauberformel sprechen die abgedämpften Trompeten und Hörner. Außerdem weist Albrecht auf ein meisterlich zur Spannungssteigerung eingesetztes Mittel von Dukas hin: Die Pausen. Dieses Wissen um die Bedeutung der einzelnen Instrumente und Stilmittel steigern Wiedererkennungswert und Hörgenuss für Jung und Alt ungemein. Desgleichen gelingt Gerd Albrecht mit seiner schelmischen Erklärung des Till Eulenspiegel. Er verrät und erläutert die versteckten musikalischen Streiche des Komponisten, die der Hörer mit geschärften Ohren nachvollziehen kann.

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Diese Original-LP enthält dann auch noch eine sehr liebevoll gestaltetes Booklet mit wirklich reizenden Illustrationen und diversen Zusatzinformationen … dieser Augenschmaus erhöht das gesamte Vergnügen ungemein.

„Gerd Albrecht fasst es als sein zentrales Anliegen auf, die Musik dem Publikum nicht nur vorzusetzen, sondern sie ihm begreifbar zu machen. Anders als bei gewissen Jugendkonzerten wird bei Albrecht nicht einer kompakten Werkdarbietung einfach ein Referätchen oder eine Plauderei vorangestellt. Vielmehr bricht er die Werkstruktur auf, leuchtet in sie hinein, erklärt Motive und Themata so präzis wie musikalische Formabläufe. Das Besondere liegt darin, dass die Musik auf dieser Weise nicht zerfassert, dank Albrechts konzisen und packenden Erläuterungen. Selbst wer das Stück schon lange kennt, vermag sich der eigenartigen Faszination solcher Musik-Verdeutlichungen nicht zu entziehen“ (Christoph Winzeder)

So und nicht anders ist es … Eine Paradebeispiel gelungener Musikvermittlung, von der man eigentlich gar nicht genug bekommen kann. Und zur Vertiefung habe ich 2 pdf-Dateien, die sich mit dieser Kompositon beschäftigen, beigelegt.

Und leider, leider muss ich diesen Beitrag mit dieser Information schließen:

„Mit großer Trauer teilen wir mit, dass Gerd Albrecht in den Abendstunden des 2. Februar 2014 nach schwerer Krankheit in Berlin verstorben ist.“  (website) … Was für ein Verlust !

GerdAlbrecht

* 19. Juli 1935 in Essen; † 2. Februar 2014 in Berlin

Besetzung:
Radio-Symphonie Orchester Berlin unter der Leitung von Gerd Albrecht

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Titel:
01. Gerd Albrecht erklärt den Zauberlehrling von Paul Dukas (Dukas/Albrecht) 27.50
02. Der Zauberlehrling (Dukas) 10.22

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