Alfred Andersch – Der Tod des James Dean (1959 + 1962)

FrontCover1Ein Hörspiel von Alfred Andersch ist die Basis für diesen Beitrag, ein wie ich meine, ziemlich spannender Beitrag aus der deutschen Radiogeschichte:

Alfred Andersch (1914-1980) war als Jungkommunist im KZ Dachau interniert. 1944 lief er in Italien zur US-Armee über. Er war Gründungsmitglied der Gruppe 47 und von 1948 bis 1958 Redakteur beim NWDR und beim SWF. Zu seinem umfangreichen Gesamtwerk zählen auch 15 Hörspiele u.a. eben auch „Der Tod des James Dean“:

„Der Tod des James Dean“ ist eine Collage, die vier Jahre nach dem Tod des US-Filmstars (1955) in Deutschland ästhetisch und politisch als geradezu revolutionär empfunden wurde. Der Rundfunk nahm das Lebensgefühl der „protestierenden Jugend Amerikas, der „geschlagenen Generation“, der Beat-Generation zur Kenntnis. Aus Beat ist längst Pop geworden, der Widerstand ist aufgebraucht. Alfred Andersch, der Autor von „Der Tod des James Dean“, setzte die Collage aus einem Bericht des Schriftstellers John Dos Passos über Leben und Sterben des Filmstars, einer Boxkampfreportage und gerade veröffentlichten Gedichten von Allen Ginsberg, E. E. Cummings, Kenneth Patchen und Kenneth Rexroth zusammen. Mit diesen Beat-Autoren war der neue Ton in die amerikanische Literatur gekommen, Andersch fasste das Lebensgefühl einer Nachkriegsgeneration zusammen, die wusste, was sie nicht wollte, den american way of life, aber nicht, wohin sie gehen wollte. Friedhelm Ortmann heißt der Regisseur der Südwestfunk-Produktion, in der der Trompeter Miles Davis eine getragene, untergründig bewegte,zerreißende, aber ziellos aufrührerische Musik spielt, und diese Musik zu hören, ist der eigentliche Genuss.

Alfred Andersch

Alfred Andersch

Gerade das Spiel dieses Musikers verleiht dem „Klassiker“ die Authentizität. Die deutschen Sprecherstimmen von damals erinnnern in ihrem Pathos noch ein wenig an das bedeutungsvolle Deklamieren, wie es die Ufa-Wochenschau und der Reichsrundfunk geprägt hatten, und wie es in beiden deutschen Staaten bis in die sechziger Jahre hinein unbewusst gepflegt worden ist. Der Tod des narzisstischen, revoltierenden Filmstars James Dean, der mit 24 Jahren auf dem Weg zu einem Wettfahren in einem weißen Sportwagen aus Deutschland verunglückte, hat heute schon eine Spur von Komik. James Dean, das Idol jugendlicher Schönheit, das Sinnbild der „Beat“-Epoche, erfährt immer neue Verwertungen. Gerade erscheinen die James-Dean-Filme in der neuesten Technik für zu Hause, der Digitalen Video-Disk (DVD). James Dean, lebte er noch, wäre ein Herr von siebzig Lenzen. Barbara Schäfer ist die Regisseurin des Remakes, eine Produktion des Bayerischen Rundfunks. Alfred Andersch hatte zur Musik von Miles Davis bemerkt: „Es lassen sich andere Vorschläge diskutieren, falls eine Musik nachgewiesen wird, die die Aufnahmen an makabrer Trostlosigkeit und musikalischer Qualität übertreffen. “ (Detlef Friedrich; Berliner Zeitung, 6.2.2001)

Und dann gab es eine weitere Fassung dieses Hörspiels, diesmal aufgenommen für eine Twen/Philips LP im Jahre 1962. Twen war damals so ne Art sehr fortschriftliche Jugendzeitschrift, die im Laufe der Jahre eine ordentlichen Kollektionen von LP´s mit ihrem Logo auf den Markt brachten. Hier handelt es sich jedoch eher um eine Ausnahme, da die meisten Twen LP´s eben Musik enthielt.

Gerd Westphal, 1964

Gert Westphal, 1964

Bei dieser Aufnahme handelt es sich um eine „noch konsequenter, hörter gehaltenen Neuaufnahme“ Os meint das jedenfalls Hans Rudolf Hilty, der den ausführlichen und sehr informativen Text auf der Hüllen-Rückseite der LP verfasst hat.

Es war ein Gert Westphal, die bei dieser Neuaufnahme Regie führte. Westphal war bis 1959 im Südwestfunk tätig und kannte von daher die erste Version dieses Hörspiels.

Unabhängig  welche der Versionen man nun als „intensiver“ bezeichnen möchte … beiden ist gemein, dass diese Mischung aus Texten und Musik (von Miles Davis, ausgesucht von Hans-Joachim Behrendt, der damaks ebenfalls beim Südwestfunk arbeitete), dass also diese Collagen-Technik eine enorme Wucht entwickelte. Selten habe ich eine so gelungene Symbiose aus Wort und Musik gehört.

Da fragt man sich, warum man von dieser Form nicht viel öffter Gebrauch gemacht hat. Ok, Gert Westphal ist diesen Weg konsequenter gegangen (z.B. mit seiner „Jazz & Lyrik“ Serie, z.T. auch auf Tonträgern veröffentlicht).

Und dann, um das Thema noch abzurunden, gab es 2001 eine weitere Hörspiel-Version unter der Regie mit Barbara Schäfer und nahmhaften Sprechern wie Christian Berkel, Ben Becker, Dieter Landuris, oder Jan Gregor Kremp- Zu gerne hätte ich diese Fassung auch noch dazu gepackt, dann wäre der Werkvergleich komplett gewesen, aber bedauerlicherweise konnte ich noch keinen Mitschnitt auftreiben.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Hier also eine jener spannenden Hörspiel-Produktionen der50er/60r Jahre, die ganz sicher auch bei etlichen Menschen einen prägenden Einfluss hinterlassen hat.

James Dean

James Dean

Besetzung:

LP – Version (1962):
Kurt Beck (Texte von Allen Ginsberg)
Peter Ehrlich (Texte von Robbin Jeffers – Kenneth Patchen)
Wolfgang Reichmann (Texte von E.E. Cummings – Kenneth Faxroth – Delmore Schwarz)
Walter Richter (Texte von Robert Lowry)
René Scheibli (die Stimme des Jungen)
Gert Westphal (Texte von Dos Passos)

Regie: Gert Westphal

Original – Version (1959):
Horst Bergmann (die Stimme des Jungen)
Hanns Bernhardt (Texte von Delmore Schwartz)
Rolf Boysen (Texte von Robert Lowry)
Friedrich von Bülow (Texte von Kenneth Patchen)
Ludwig Cremer (Sprecher)
Herbert Fleischmann (Texte von Robinson Jeffers)
Klaus Kammer (Texte von Allen Ginsberg)
Heinz Schimmelpfennig (Texte von E. E. Cummings)
Hermann Schomberg (Texte von John dos Passos)
Wolfgang Schwarz (Texte von Kenneth Rexroth)

Regie: Friedhelm Ortmann

Miles Davis, 1962

Verwendete Musikstücke:
Evasion de Julien – Au Bar du petit bac – Gènèrique – Sur l´autoroute – Florence sur les Champs-Elyees

Besetzung:
Kenny Clarke (drums) – Miles Davis (trumpet) – Piere Michelot (bass) – Rene Urtreger (piano) – Barney Wilen (saxophone)

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Titel:
01. Der Tod des James Dean (Teil 1 – LP-Version) 20.41
02. Der Tod des James Dean (Teil 2 – LP-Version) 19.40
03. Der Tod des James Dean (Original-Fassung 1959) 47.40

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