Radio.String.Quartet.Vienna – Posting Joe – Celebrating Weather Report – Live (2013)

FrontCover1Prädikat: exquisit !

Das radio.string.quartet, vormals auch radio.string.quartet.vienna, ist ein Streichquartett aus Wien, das unter anderem für seine große musikalische Bandbreite und genreübergreifenden Kompositionen und Arrangements bekannt ist. Ausgehend von ihren Einflüssen aus Klassik-, Rock-, Jazz-, Folk-, Pop-, elektronischer und zeitgenössischer Musik entwickelt die Band ihre eigene Klangwelt.

Das radio.string.quartet war mit seinen Bearbeitungen der Musik des Mahavishnu Orchestra eine der Entdeckungen des Jazzfestival Berlin im Jahr 2006. John McLaughlin schrieb in den Linernotes zu ihrem ersten Album: „Ich war vom ersten Ton an fasziniert, wie sich diese Gruppe meiner Musik genähert und sie sich zu eigen gemacht hatte. Sie haben sogar die Atmosphäre getroffen, die damals herrschte. Tief berührt hat mich auch der Stellenwert, den sie der Improvisation beimessen. Und wie sie improvisieren! […] Dies ist kein gewöhnliches Streichquartett. Die leidenschaftliche Hingabe der vier Musiker an ihre Instrumente ist bewundernswert. Und dass es ihnen gelungen ist, Musik, die eigentlich elektrischer Fusion-Jazz ist, mit Elementen ihrer klassischen Herangehensweise zu verschmelzen und dabei die ‚elektrische‘ Atmosphäre zu erhalten, ist einfach einzigartig.“ (Das Quartett hat auch eine DVD mit diesem Programm veröffentlicht.)

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Im Jahr 2008 folgte Radiotree, ein Album mit dem Akkordeon- und Bandoneon-Virtuosen Klaus Paier. Im gleichen Jahr waren sie Gast auf Ulf Wakenius’ CD Love Is Real, die dem musikalischen Werk des Esbjörn Svensson Trio (e.s.t.) gewidmet ist.

Im Jahr 2009 nahm radio.string.quartet mit der schwedischen Sängerin Rigmor Gustafsson das Album Calling You auf, das einige Wochen in den schwedischen Charts platziert war.

Das Album Radiodream (2011) markierte mit einem Großteil an Eigenkompositionen, die die vielschichtigen musikalischen Einflüsse der Gruppe widerspiegeln, einen neuen Abschnitt in der Bandgeschichte.

Auf Posting Joe – Celebrating Weather Report – live (2013) widmete sich das Quartett der Musik des Komponisten, Pianisten und Keyboarders Joe Zawinul. Das Album wurde von The Sunday Times (Vereinigtes Königreich) unter die besten Jazzalben des Jahres 2013 auf Rang 2 gewählt.

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Im Jahr 2014 begann die Band mit der Arbeit an dem Album In between Silence (2017), das eine musikalische Neuausrichtung der Band und eine Veränderung ihrer Arbeitsweise – sowohl im Studio als auch live – mit sich brachte. Erstmals wurden vermehrt Stimmen zu den herkömmlichen Streichinstrumenten hinzugefügt, und auch der Einsatz von elektronischen Musikinstrumenten erweiterte das Spektrum. Dig-e Kompositionen des Albums – allesamt Arbeiten des Quartett – wurden für die Konzertaufführung einer grundsätzlichen Umarbeitung unterzogen. Damit versuchte die Band, die unterschiedlichen räumlichen Begebenheiten vom Hören eines Albums zum Erlebnis eines Live-Konzerts einzubeziehen. Erstmals arbeitete das Quartett dabei mit einem Co-Produzenten, dem norwegischen Pianisten und NuJazz-Pionier Bugge Wesseltoft.

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2020 begann die Band eine „Quadrologie“, deren grundlegende Idee es ist, die vier Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser in musikalischer Sprache darzustellen und zueinander in Bezug zu stellen. Für jedes Element soll es Kooperationen und eine jeweils andere Besetzung geben, deren Zentrum und musikalisches Bindeglied das radio.string.quartet sein soll. Als erstes Element erschien, erstmals auf ihrem eigenen Label SeeYulette, im Juni 2020 „Erd“ mit dem österreichischen Sänger und Komponisten Roland Neuwirth. 2022 folgte auf der Grundlage von Johann Sebastian Bachs g-Moll-Violinsonate unter dem Titel ‚B:A:C:H – like waters‘ ihre Auseinandersetzung mit dem Wasser. (wikipedia)

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Die Musik des österreichischen Landsmannes Joe Zawinul war für das r.s.q.v. stets allgegenwärtig. Und der Wunsch ein Tribute-Album für diese prägende Gestalt des Jazz einzuspielen, war schon immer da. Doch es sollten vier ACT Alben zuvorkommen, bis ihr lang gehegter Wunsch mit „Posting Joe“ endlich Wirklichkeit wurde: Wie respektvoll, sorgfältig und visionär Mallinger, Jenner, Liao und Valcic dabei vorgingen, zeigt z.B. der Zawinul-Klassiker „Birdland“. Mit seinem dramatischen Bogen vom klassischen Einstieg über den flirrenden Basisrhythmus bis zu den wilden Geigenattacken in höchster Lage raubt es einem den Atem. Die Interpretationen etwa von „Peace“ oder „Cannonball“ belegen erneut den bahnbrechenden Umgang des r.s.q.v. mit den Gegensätzen von rhythmischer Spannung und klarer Melodik.

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Und dass ein klassisches Streichquartett in punkto Dynamik und Tempo einer Jazzband nicht nachstehen muss, zeigt wieder einmal das furiose Finale „Volcano For Hire“. Wie auch „Wireless Wings“, neben dem Opener „Trophosphere“ die einzige Eigenkomposition. Der Arbeitsprozess war diesmal anders als bei allen anderen r.s.q.v.-Projekten zuvor: Es ging diesmal nicht um die Virtuosität und strukturelle Opulenz, sondern um die Details und die minimalistisch im Hintergrund laufenden Grooves. Zawinuls formal einfachen Kompositionen mussten die vier mit ausgeklügelter, fast Bachscher Stimmführung begegnen, und mit dem Ausreizen aller Klangmöglichkeiten der Saiten. So ist es auch hier wieder die Umkehrung der Hörgewohnheiten, die das r.s.q.v. so spannend und einzigartig macht: Galt für Zawinul das gerne kolportierte Bonmot: „Spiele elektrisch, aber klinge akustisch“, so ist es hier oft genau umgekehrt: „We sing the body acoustic“ wurde zum Leitmotiv des Streichquartetts. „Posting Joe“ ist Wiener Streicherschule und Psychoanalyse at its best. (Pressetext)

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Ich habe mich immer gewundert, weshalb Weather Reports Musik nicht öfter gecovered wird – und wenn, dann meistens schlecht. Offenbar waren „die Jungs“ so eigenständig (und vielleicht doch auch ihrer Zeit so weit voraus), dass es den wenigsten gelang, dem übergroßen Vorbild zum einen gerecht zu werden, und zum anderen doch auch eigene Akzente zu setzen. Das führte dann selbst bei den besten Istrumentalisten zu einem mehr oder weniger virtuosen Nachbuchstabieren der Noten, ohne doch die eigentliche Seele der in ihrem Innersten von Joe Zawinul geprägten Musik erfassen zu können. Zawinul selbst fand das schade – als „Boxer“, der er tatsächlich trainierend, vor allem aber mental AUCH war, wäre IHM kein Werk zu groß gewesen, um daraus nicht was eigenes zu machen. (Nicht zufällig soll ja Miles Davis einmal gesagt haben soll, wenn er nicht aufgepasst hätte, wäre er noch in seiner, Zawinuls Band, gelandet, statt Zawinul in seiner). Aber so langsam scheint sich was zu ändern. Was der 1960 im italienischen San Daniele del Friuli geborene Umberto Trombetta Gandhi, Schlagzeuger, Percussionist und Komponist von „Soundtracks“ für Video-, Theater- und Modern-Dance-Produktionen mit seiner „U.T. Gandhi Plays Weather Report 40th Anniversery“ vorgelegt hat, ist ein würdiger Tribut, der Spaß macht und wohl sogar Joe Zawinul selbst gefallen hätte. Und dem radio.string.quartet.vienna verdanken wir nun also die vielleicht naheliegende, aber für meinen Geschmack noch nie so überzeugend wie hier vorgetragene Erkenntnis, dass auch die doch sehr „elektrische“ Fusionmusik der 1970er- und 80er-Jahre in jedem musikalischen Kontext – und auf jedem „natürlichen“ Instrument – „funktioniert“, wenn nur die Musik selbst genug Substanz hat und die Musiker, die sich ihr widmen, ebenso. Beides ist hier der Fall, und so entstand eine rundum geglückte, ja glücklich machende Produktion – eine der besten auf Siggi M. Lochs verdienstvollem Act-Label. (Robert Fischer)

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Besetzung:
Igmar Jenner (violin)
Cynthia Liao (viola)
Bernie Mallinger (violin)
Asja Valčić (cello)

Radio String Quartett

Titel:
01. Troposphere (Mallinger) 1:39
02. Birdland (Zawinul) 6:33
03. Freezing Fire (Shorter) 4:05
04. Peace (Zawinul) 6:16
05. Black Market (Zawinul) 6:35
06. Dream Clock (Zawinul) 6:14
07. Wireless Wings – For Joe (Valčić) 6:55
08. In A Silent Way (Zawinul) 3:54
09. Cannonball (Zawinul) 5:51
10. Volcano For Hire (Zawinul) 6:31

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Die offizielle Website:
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