Verschiedene Interpreten – Swing tanzen verboten (Teil 2) (2004)

FrontCover1Nun Teil 2 dieser spannenden Edition von Jazzaufnahmen, die obwohl es sich um „unerwünschte Musik“ handelte im III. Reich erschienen sind.

Gott sei Dank hat die Forschung über dieses Thema sehr intensiv eingesetzt und so finden sich vielfältige Artiekl undBeiträge zu diesem Thema auch in diversen Internagt blogs. Beispielhaft dafür folgender Beitrag:

„Unter dem dem Titel „Artfremde Kunst und Musik unerwünscht – Jazz im Dritten Reich“ hat Horst H. Lange für die Darmstädter Jazzforschung einen kenntnisreichen Aufsatz verfasst, den ich mir nach langer Zeit wieder einmal zu Gemüte geführt habe. Zitate aus dem Artikel (That’s Jazz – Der Sound des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1988 ) bilde ich kursiv ab.

Vergegenwärtigen wir uns vorweg den Stand des Jazz im Mutterland dieser Musik in jener Zeit, erkennt man, dass er weit davon entfernt war, die Massen zu erreichen und in breite Schichten vorzudringen. Vergessen wir nicht, dass in Amerika tiefgreifender Rassismus und ethnische Trennung vorherrschten und um 1930 der Jazz auch jenseits des Atlantiks rassistischen Vorurteilen ausgesetzt war. Nicht unbedingt von oben angeordnet, aber inmitten der Gesellschaft tief verwurzelt. Schwarze Musiker arbeiteten unter unwürdigen Bedingungen oder wurden gar daran gehindert, ihre Musik auszuüben.

Nun nach Deutschland: Berlin war Ende der 20er-Jahre durchaus ein Zentrum des internationalen Jazz, angeblich nach New York und London möglicherweise das drittgrößte, da habe ich allerdings meine Zweifel. Die Weltwirtschaftskrise und die „damit verbundene sinkende Kaufkraft und Rückgang der Vergnügungsindustrie“ setzten dem Jazz hierzulande bereits mächtig bei. Und auch vor 1933, zum Ende der Weimarer Zeit, gab es bereits offizielle „Ächtungen“ und wohl auch ein Verbot der Ausstrahlung und Aufführung des Jazz in Thüringen. Die Nazis hingegen haben den Jazz zu keiner Zeit gesetzlich verboten. Das einzige Verbot, ohne allzu augenfällige Verbindlichkeit, erließ der „Reichssendeleiter“ im Jahre 1935. Dazu ein Auszug aus dem „Völkischen Beobachter“: „Der Niggerjazz ist von heute ab im deutschen Rundfunk endgültig ausgeschaltet.“ (… es folgt eine Aufführung, welche Gremien und Personen in Zukunft zu entscheiden haben, was gespielt werden darf…) „Alle Sender des deutschen Rundfunks bringen heute zu noch unbestimmter Zeit innerhalb eines Unterhaltungskonzerts eine Jazzparodie, der Art, wie sie in Deutschland zukünftig nicht mehr geduldet werden. Eine gleich darauf folgende, der deutschen Tanzmusik entsprechende Instrumentierung der gleichen Melodie soll die Unterschiede klar machen, die zwischen Niggersang und deutschem Tanzlied bestehen.“

NaziPlakatAngesichts solcher Zitate meine Frage im oben erwähnten Thread: Wie soll in solch einer Atmosphäre Kunst entstehen, sich der kreative Geist entfalten, wenn von kleinbürgerlichem, angstvollem, rassistisch verseuchtem Gedankengut so etwas verordnet wird? Zu meiner Überraschung: Es ging! Nehmen wir die Verbreitung von Schallplatten: Deutsche Plattenfirmen waren vertraglich international gebunden, dass „selbst die Nazis aus devisenrechtlichen Gründen nichts gegen die Einfuhr amerikanischer und englischer (auch Jazz-)Schallplatten unternehmen konnten“ (…)

Und dann nahm der Jazz kurz nach der Machtergreifung auch noch jene Wende zum allseits gefälligen und unglaublich populären Swing, erstmals auch von weißen Musikern in Amerika entscheidend geprägt, dass er „nunmehr als kultivierter Überwinder des alten „wilden“ Jazz der dekadenten 20er Jahre angesehen wurde.“ Um 1936 erlebte die „reinliche“ Swing-Welle gar eine Blütezeit in Deutschland, man nehme beispielsweise Teddy Stauffer, „von den Nazis als schräge Musik bezeichnet, aber zunächst noch halbwegs toleriert, da man ja das internationale Flair Berlins erhalten wollte.“ Und hier revidiere ich meine Meinung gerne: Dass nämlich auch in Deutschland ganz hervorragende Musiker zugange waren, die sowohl instrumentalistisch, als auch vom Ausdruck hervorragende Leistungen gebracht haben.

Swing war – nahezu einmalig in der Jazz-Geschichte – nicht zuletzt auch ehrliche Tanzmusik. Laut Horst H. Lange stieß den Nazis vor allem das „undeutsche Niggergebaren“ beim Ausüben des Tanzes, weniger die Musik selbst derart übel auf, dass es Ermahnungen der Reichsmusikkammer hagelte. Man konnte sich aber anscheinend dennoch einigermaßen durchlavieren, was nicht zuletzt an der Cleverness der Jazz-Ausübenden und der Bräsigkeit der Funktionäre lag, denen man „die Swingmusik oft als neuen deutschen Tanzstil aufschwatzen konnte.“

Kriegsbeginn. Die Lage ändert sich entscheidend. Jazz – von den deutschen Machthabern immer wieder auch mit England in Verbindung gebracht – war jetzt endgültig die Musik des Feindes. „Feindsender“ hören konnte man mit dem Leben bezahlen. Die in Deutschland tätigen Jazzorchester stellten ihre Arbeit ein, nicht zuletzt dadurch, dass ihre Mitglieder zur Wehrmacht einberufen wurden. Außerdem hatte sich im Ursprungsland des Jazz der Wind musikalisch entscheidend gedreht. Die jungen Wilden machten Furore: Charlie Parker, Thelonious Monk, die die Grundfesten der leichten Muse Swing erschütterten und das Tor zum modernen Jazz aufzustoßen begannen.

Der Krieg tobte an vielen Fronten, im Westen rückten Harry James, Glenn Miller & Co im Zuge der allierten Truppenbetreuung vor, Jazz wurde zum Soundtrack der Befreiung. Und auch in Deutschland selbst war es plötzlich wieder möglich, Jazz zu hören. Musiker wie Kurt Widmann, Michael Jary oder Helmut Zacharias hatten hörenswerte Ensembles, durchaus eigenständig musizierend im Vergleich zu ihren amerikanischen Vorbildern. Nicht zuletzt Goebbels veranlasste „nicht so hart gegen die Landserwünsche von schräger Musik vorzugehen, um in ernsten Zeiten eine Lebensfreude zu erhalten.“ Ein absurder Zynismus. Der brachte immerhin sogar wieder deutsche Rundfunk-Swing-Orchester auf den Plan. Selbst im Elend von Theresienstadt, wo auch Krasa noch wirken „durfte“, tolerierte man die „Ghetto Swingers“, deren berühmtestes Mitglied, Gitarrist Coco Schumann, noch bis vor nicht allzu langer Zeit beredtes Zeugnis jener Tage ablegen konnte. Der „totale Krieg“, der Kampf ums nackte Überleben in nahezu jeder deutschen Großstadt, beendete dann das Jazzleben, wohl auch nahezu sämtliches andere kulturelle Leben.

AdalbertLutter

Adalbert Lutter & sein Orchester

Meine Lektüren, die ich hier nur in kurzen Schlagworten zusammenfassen kann, überraschten mich selbst, ob der Komplexität, wie der Jazz im Dritten Reich gegängelt wurde, sich Nischen gesucht hat, dann wieder gefördert wurde und sich immer seinen Weg bahnen konnte. Klar ist aber auch – und da wären wir noch einmal bei Werner Egk: Wirkliche Größe kann sich nur in Freiheit entfalten. Das Ranwanzen an die Herrschenden ging eigentlich immer einher mit der Aufgabe der eigenen künstlerischen Souveränität und Klasse. In der Grauzone, in der Subversivität und mit der Intelligenz, die kulturlosen Machthaber mit größter Intelligenz zu übertölpeln, sind durchaus große Leistungen machbar gewesen. Ich denke da z.B. an Schostakowitsch.“ (Carsten)

Einen weiteren Überblick zum Thema „Jazz in totalitären Diktaturen der 30er Jahre“, verfasst von Martin Lücke lege ich dieser Präsentation bei.

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Titel:
01. Lothar Brühne & das UFA Tanzorchester:  Ein Zug fährt ab (Brühne) (1943)  2.43
02. Orchester Willi Stech: Wenn froh ein Lied erklingt (Berking) (1942) 2.42
03. Dreigroschenband: Truxa Foxtrott (Leux) (1937) 3.03
04. The Admirals: Puttin’ On The Ritz (Berlin) (1930) 3.16
05. Adalbert Lutter & sein Orchester: Weißt du, wie lieb du bist? (Drabek/Walter) (1939) 3.17
06. Willy Berking & sein Tanzorchester: Tempo Tempo (Berking) (1943) 2.34
07. Stan Brenders & sein Tanzorchester: An mein Herz (Jary) (1942) 2.27
08. Willi Stech & sein Orchester: Hochzeitsnacht im Paradies 1 (Schröder) (1943) 3.23
09. Willi Stech & sein Orchester: Hochzeitsnacht im Paradies 2 (Schröder) (1943) 3.10
10. Willy Berking & seine Solisten: Tonleiter (Berking) (1944) 2.39
11.  Dreigroschenband: Wenn ich einmal traurig bin (Reisfeld/Marbot) (1932) 2.46
12.  Elite Tanzorchester & Corny Ostermann: Allerschönste aller Frauen (Grothe/Dehmel) (1943) 3.09
13.  Adalbert Lutter & sein Tanzorchester: Oh Marie, oh Marie (Di Ceglie/Schwenn/Schaeffers) (1944) 2.46
14.  Kurt Widmann & sein Orchester: Schwarze Augen (Ferrari) )1942)  2.58
15.  Willy Berking & sein Tanzorchester: Immer wieder Rhythmus (Berking) (1942) 2.29
16.  Kurt Widmann & sein Orchester: Ja, das ist meine Melodie (Bochmann/Balz) (1941) 2.43
17.  Adalbert Lutter & sein Orchester: Rhythmus der Freude (Kennedy/Carr) (1937) 3.13
18.  Willy Berking & seine Solisten: Rauf und runter (Berking) (1944) 2.39
19.  Dreigroschenband: Ich liebe dich und kenn dich nicht (Grothe/Dehmel) (1934) 3.04
20. Orchester James Kok: Fensterpromenade (Mohr/Walter) (1933) 2.52
21.  Julian Fuhs & sein Jazzorchester: Stella (Michaeloff) (1927)  3:05
22. Kurt Widmann & sein Orchester: Ja, das ist nun mal mein Rhythmus (Widmann) (1942)  2.42
23.  Adalbert Lutter & sein Orchester: Nächte am La Plata (Estvilla) (1933)  3.17
24. Willy Berking & seine Solisten: Synkope (Berking) (1944) 2.45
25. Dreigroschenband:Es war einmal ein Musikus (Schwarz) (1932)  2.39

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