Verschiedene Interpreten – Salzburger Adventssingen (1961)

frontcover1Das „Salzburger Adventsingen“ ist längst eine große Tradition geworden.

Das Salzburger Adventsingen im Großen Festspielhaus ist eine alljährliche musikalische Veranstaltung im Advent in der Stadt Salzburg.

1946 wird von Tobi Reiser d. Ä. (1907–1974) erstmals ein Salzburger Adventsingen in einem Gesellschafterheim am Salzburger Rudolfskai für Freunde und Weggefährten veranstaltet. Im selben Jahr wird auch das Salzburger Heimatwerk als Genossenschaft eingerichtet und Tobias Reiser d. J. (1946–1999) geboren.

Nachdem die adventliche Zusammenkunft immer mehr Zulauf erhält, übersiedelt man im Jahre 1950 in den Kaisersaal der Salzburger Residenz. Erstmals laden das Salzburger Heimatwerk und die Salzburger Heimatpflege gemeinsam zu dieser Veranstaltung. Der Chorgesang ist mit dem Salzburger Volksliedchor bis heute ein prägendes Element vom Salzburger Adventsingen. Zeitgleich findet das erste Adventblasen vom Glockenspielturm als Einstimmung zum Adventsingen statt.

Doch auch dieser Veranstaltungsort wird rasch zu klein. 1952 übersiedelt man daher in die Große Aula der Universität Salzburg. Karl Heinrich Waggerl (1897–1973) hat sein Debüt und liest zum ersten Mal die „Kleinen Christkindlgeschichten“. Seine heiter-besinnlichen Lesungen begeistern das Publikum und verleihen dem Salzburger Adventsingen eine weitere unverwechselbare Note. Er bleibt dem Salzburger Adventsingen bis zu seinem Tod im Jahre 1973 treu. Immer mehr Menschen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum werden auf das Salzburger Adventsingen aufmerksam. Das bis zu seiner Gründung im Jahre 1946 nicht existente Genre „Adventsingen“ wird zum Synonym für zahlreiche weitere Veranstaltungen ähnlichen Formats.

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Salzburger Adventsingen in den frühen Jahren

Im Jahre 1960 findet auf Einladung von Josef Klaus (1910–2001) das Salzburger Adventsingen mit sieben Aufführungen erstmals im neu erbauten Großen Festspielhaus statt. Von nicht wenigen wird dadurch das Ende des Adventsingens prophezeit. Das Gegenteil ist der Fall und der mutige Schritt von Tobi Reiser hat sich als Glücksfall erwiesen. Von Jahr zu Jahr kommen mehr Besucher zu dieser einzigartigen Veranstaltung. 1974 stirbt der Gründer des Salzburger Adventsingens und Leiter des Salzburger

Tobias Reiser d. J. übernimmt die Leitung des Salzburger Heimatwerks und des Salzburger Adventsingens. Er ist bestrebt, dieses wertvolle Erbe verantwortungsvoll und behutsam weiter zu entwickeln. Ab 1980 finden unter Einbindung vom Bühnenbildner Siegwulf Turek größere Veränderungen in Bühnengestaltung, Lichtregie und Programmatik statt. Das Salzburger Adventsingen entwickelt sich zu einem szenischen Oratorium mit eindrucksvollen Parallelen und Bindungen vom biblischen Geschehen zur Gegenwart. Tobias Reiser d. J. verleiht dem Salzburger Adventsingen ein neues, künstlerisch anspruchsvolles Profil. Unter seiner Leitung entwickelt sich das Salzburger Adventsingen von 12 Aufführungen im Jahre 1974 auf bis zu 18 ausverkauften Aufführungen jährlich.1996 feierte das Salzburger Heimatwerk mit dem Salzburger Adventsingen sein 50-jähriges Bestehen. Das szenische Oratorium „Es ward der Engel Gabriel“ wird mit Kompositionen von Wilhelm Keller zum Höhepunkt des künstlerischen Schaffens von Tobias Reiser d.J., welcher 1999 unerwartet im 53. Lebensjahr verstirbt.

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Tobias Reiser sen. mit Sohn … Tobias Reiser jun.

Hans Köhl und Stefan Sperr, die beiden langjährigen Weggefährten und Heimatwerk-Vorstandskollegen von Tobias Reiser, übernehmen die Gesamtleitung des Salzburger Adventsingens, wobei Hans Köhl die Hauptverantwortung übertragen wird. Er setzt mit seinem künstlerischen Kollegium den Weg der behutsamen Weiterentwicklung auf hohem Qualitätsniveau fort. Denkansätze, wie das adventliche Geschehen in einen Handlungsrahmen vom Gründungsjahr 1946 zu setzen oder die Geschichte in einen soziokulturellen Kontext mit den Schöpfern des Salzburger Weihnachtsliedes „Stille Nacht, Heil’ge Nacht“ zu bringen, werden in neuen szenisch-musikalischen Gesamtwerken realisiert. Sie werden vom Publikum begeistert aufgenommen. Trotz immer mehr werdender „Mitbewerber-Adventsingen“ bleibt der Zustrom zum Salzburger Adventsingen mit jährlich rund 36.000 Gästen ungebrochen. Es ist das größte und bedeutendste Festival dieses Genres weltweit. Wurde in der Vergangenheit ein Werk über mehrere Jahre zur Aufführung gebracht, wird seit 2005 alljährlich ein neues oder grundlegend überarbeitetes Salzburger Adventsingen inszeniert. Dies ist eine enorme Herausforderung für Hans Köhl, sein künstlerisches Team und die rund 150 Mitwirkenden. Die Bemühungen werden vom internationalen Publikum jedoch mit jährlich zur Gänze ausverkauften Aufführungen entsprechend bestätigt und belohnt. (Quelle: wikipedia)

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Salzburger Adventsingen im Jahr 2014

Klingt alles sehr friedlich … doch, meine Freude an der z.T. wirklich sehr stimmungsvollen Musik wird arg getrübt, wenn ich mir vergegenwärtige, was für ein Lump der Tobias Reiser (der ältere) war:

„Reiser hatte sich bereits vor 1938 in der Zeit des Verbots der NSDAP während der Kanzlerdiktaturen von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg intensive Kontakte zu aktiven Proponenten der NSDAP, obwohl er gleichzeitig mit Vertretern des herrschenden Regierungsregimes wie Landeshauptmann Franz Rehrl oder mit der RAVAG, dem unter Regierungkontrolle stehenden Radio-Sender, Gespräche suchte, um seine Karriere als Volksmusikant zu intensivieren.“ (Historiker Oliver Rathkolb in seinem Gutachten über die Rolle von Reiser während der Nazi-Zeit).

Da passt es ja nur gut zusammen, dass ein Karl-Heinz Waggerl seine Texte zum besten gibt. Denn auch er war ein zwielichtiger Geselle:

1936 wurde Waggerl Mitglied des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs, der sich 1934 vom P.E.N.-Club abgespalten hatte, da einige Schriftsteller eine Protestnote gegen die Verfolgung und Einkerkerung deutscher Schriftstellerkollegen im Zuge der Bücherverbrennung im März 1933 im Deutschen Reich verfasst hatten. Die Mitglieder des „Bundes“ arbeiteten energisch auf den „Anschluss“ hin, um „den Weg zur Befreiung ihres Volkes zu bahnen und zu vollenden“ (Max Stebich 1938). In ihm fanden sich Mitglieder und Sympathisanten der NSDAP zu einer illegalen Tarnorganisation zusammen.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 an das Deutsche Reich beteiligte sich Waggerl mit einem Beitrag am Bekenntnisbuch österreichischer Dichter (herausgegeben vom Bund deutscher Schriftsteller Österreichs) , das den „Anschluss“ begeistert begrüßte. Unter dem Titel „Dichter bekennen sich zur Heimkehr ins Reich“ schrieb Waggerl: „Mögen alle Sünden verziehen sein, nur die eine nicht: Jetzt noch zu zweifeln oder zu verneinen!“ An Adolf Hitler rühmte der Salzburger Heimatdichter „die befreiende Kraft einer wahrhaft großen Menschlichkeit“. 1938 wurde Waggerl auch Mitglied der NSDAP, im Mai 1939 machten ihn die Nationalsozialisten zum Landesobmann der Reichsschrifttumskammer im NS-Gau Salzburg.

Waggerl war mit dem nationalsozialistischen österreichischen Schriftsteller Karl Springenschmid befreundet, der sein Schul- und Lehrerkollege und Hauptverantwortlicher für die Salzburger Bücherverbrennung am 30. April 1938 war und der ein Erinnerungsbuch an Waggerl mit dem Titel Servus Heiner! Erinnerungen an Karl Heinrich Waggerl herausgab, in dem er Waggerl als Sympathisanten sah, „der überhaupt nicht begriffen habe, was die Nationalsozialisten wollten“. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die beiden eine ideologische Kontroverse über das Wesen, den Sinn und die Aufgaben der Ehe.

Im Jahre 1941 nahm Waggerl am Weimarer Dichtertreffen teil, bei dem die Europäische Schriftsteller-Vereinigung gegründet wurde. Die Europäische Schriftsteller-Vereinigung hatte zum Ziel, die europäische Literatur nach einem Endsieg des Deutschen Reiches unter deutsche Vormacht zu stellen. (Quelle: wikipedia)

Und jetzt tut es mir fast leid, dieses Album hier vorgestellt zu haben …

„Wo mn singt, da lass Dich nieder, denn böse Menschen haben keine Lieder“ … selten habe ich einen blöderen Spruch gehört …

Aber es stimmt wohl auch folgendes:

Das Geheimnis des einzigartigen Erfolges (der des Salzburger Adventsingens) liegt, auch in Anbetracht der aktuellen Geschehnisse, in der menschlichen Sehnsucht nach Eintracht, Frieden, Ruhe und Geborgenheit.

Unter diesem Aspekt wirkt zumindest die Musik wieder versöhnlich.

Und mein 1. Advent endet (nachdem ich heute auf wunderbare Weise auch sehr erfreut wurde) ein wenig verstörend …

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Karl Heinrich Waggerl

Besetzung:

Tobi-Reiser-Quintett
Sepp Baier (bass)
Franz Peyer (dulcimer)
Tobi Reiser (guitar)
Mariedl Müller-Willroider (harp)
Sepp Wimmer (zither)

Fischbachauer Sängerinnen (choir)
Professor Richard Moder (organ)
Riederinger Sänger (choir)
Salzburger Hirtenbuben (choir)
Salzburger Lehrersingkreis unter der Leitung von Bernd Kohlschütter
Salzburger Turmbläser (wind)
+
Karl Heinrich Waggerl (Sprecher)

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Titel:
01.1. Tobi-Reiser-Quintett: Hirtenmusik aus dem Pongau
o1.2. Professor Richard Moder: Zwischenspiel
01.3. Salzburger Turmbläser: Hirtenruf
02. Salzburger Lehrersingkreis: Auf, auf, ihr Hirten auf dem Feld
03. Karl Heinrich Waggerl: Das Salzburger Adventsingen
04. Tobi-Reiser-Quintett:  Vorspiel
05. Salzburger Hirtenbuben: Iaz fangen wir zum singen an
06. Salzburger Lehrersingkreis: Das ist die stillste Zeit im Jahr (Wallner)
07. Tobi-Reiser-Quintett: Pinzgauer Perchten-Tanz
08. Karl Heinrich Waggerl: Das Anglöckeln
09. Salzburger Turmbläser: Aufzug (Staden)
10. Fischbachauer Sängerinnen + Tobi-Reiser-Quintett: Freu dich, du lieber Christ (Greisberger)
11. Fischbachauer Sängerinnen: Dreistimmiger Jodler aus dem Alpenland
12. Riederinger Sänger: Mei, was gibts denn neu’s mehr heuer
13. Tobi-Reiser-Quintett + Professor Richard Moder: Hirtentanz
14. Fischbachauer Sängerinnen: O Wunder, was soll dös bedeuten
15. Tobi-Reiser-Quintett + Professor Richard Moder: Langsamer Ländler aus dem Pongau
16. Salzburger Lehrersingkreis:  Josef, lieber Josef mein
17. Tobi-Reiser-Quintett: Wecklied der Hirten
18. Karl Heinrich Waggerl: Der Schaukelstuhl
19. Tobi-Reiser-Quintett: Ländler
20. Riederinger Sänger: Stacherl, muaßt früh aufstehen
21. Salzburger Hirtenbuben: Hirtenspiel
22. Salzburger Hirtenbuben + Salzburger Lehrersingkreis: Andachtsjodler
23. Karl Heinrich Waggerl: Alles Heil kommt aus der Stille
24. Tobi-Reiser-Quintett: Stille Nacht, heilige Nacht

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