Hubert Bognermayr & Harald Zuschrader – Erdenklang – Computerakustische Klangsinfonie (1982)

FrontCover1Die beiden haben viele, viel Jahre gemeinsam musiziert:

Hubert Bognermayr (* 6. April 1948 in Linz; † 17. März 1999 ebenda) war ein österreichischer Musiker, Komponist und Pionier der elektronischen Musik. Er war Gründungsmitglied der österreichischen Rockband Eela Craig (1970), einer der Gründer der Ars Electronica-Festivals in Linz (1979) sowie Gründer der Blue Chip Academy (1989). Außerdem nutzte er einige Pseudonyme wie Luis Fernandez und Umberto Hohenstirn.

Ein Schwerpunkt in Bognermayrs Bands und Projekten waren die Zusammenführung von Pop, Klassik und Weltmusik sowie klassische Kompositionsarbeit unter Einbeziehung der elektronischen Musik. Eine beträchtliche Zahl internationaler Aufführungen hatte er in Opernhäusern oder bei Festivals, bis hin zu live im Fernsehen übertragenen Premieren. Für Herbert von Karajan schuf er elektronische Glockenklänge (Parsifal, Salzburg 1980).

Bognermayr leistete bahnbrechende und international anerkannte Arbeit im Bereich der computerakustischen Musik. Um 1980 richtete er gemeinsam mit Harald Zuschrader zu Hause sein „Elektronisches Försterhaus“ genanntes Tonstudio ein und begann, mit den Möglichkeiten des Musikcomputers Fairlight CMI zu experimentieren, dem ersten digitalen Synthesizer mit Sampling-Technik, der also digitalisierte und gespeicherte Klangstücke weiterverarbeitete.

Hubert Bognermayr01Hier entstand als Auftragsproduktion für die Ars Electronica das Werk Erdenklang – computerakustische Klangsinfonie. Premiere war am 28. September 1982 im Brucknerhaus Linz. Das Werk wurde zusammen mit einem Tanztheater und fünf live auf der Bühne gespielten Musikcomputern aufgeführt. In den Liner Notes der LP Erdenklang schwärmt Wendy Carlos:

“… with the appearance of Erdenklang by Bognermayr and Zuschrader the medium of electronic music has crossed another threshold. […] To me it has been a long tedious way for this to happen…” („Das Medium der elektronischen Musik hat mit Bognermayr/Zuschraders Erdenklang eine neue Schwelle überschritten […] Für mich war es ein langer und belastender Weg bis zu diesem Ereignis …“)

Kurz hintereinander spielte er Weihnachtsmelodien auf der LP Sternenklang ein und komponierte das Werk Bergpredigt. Auch diese Veröffentlichungen wurden vollständig auf der ersten Generation des Fairlight CMI unter Zuhilfenahme von Samples natürlicher Töne und Geräusche gespielt. Weitere Produktionen und technische Zusammenarbeit gab es zum Beispiel mit Klaus Pruenster oder Gyan Nishabda. Beide waren auch bei der Erdenklang-Premiere auf der Bühne beteiligt gewesen; sie loteten in ihren weiteren Projekten die neuen technischen Möglichkeiten jeweils sehr unterschiedlich aus.

Anfang 1984 wurde Mike Oldfield wegen des weiter anhaltenden Erfolges der Erdenklang-LP auf Bognermayr und Zuschrader aufmerksam und engagierte sie für die Tournee zu seiner LP Discovery. Bognermayr beteiligte sich mehrere Monate an der Klangprogrammierung, während Zuschrader auch als Keyboarder an den beiden Fairlight CMI auf der Tour mitspielte.

Im Jahre 1988 gründeten Bognermayr und Zuschrader das Blue Chip Orchestra. Die Debütaufnahme Blue Chip Orchestra bekam international starke Aufmerksamkeit. Es folgten u. a. die Werke Donau so blau in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Josef Resl und White River – Red Spirit (akustische Musik amerikanischer Ureinwohner, kombiniert mit gesampelten Naturklängen und elektronischer Musik). Während dieser Projekte entwickelten sie gänzlich neue Instrumente, zum Beispiel „Ultraschallharfe“ und „Donautuba“. Die 1989 gegründete Blue Chip Academy befasst sich mit Computermusik und deren Spieltechnik sowie neuen Methoden der Digitalpädagogik.

In den Jahren 1987, 1988 sowie 1989 gab Bognermayr das offizielle Statement der Jury zum Prix Ars Electronica jeweils in der Kategorie Computermusik ab.

Am 17. März 1999 nahm sich Hubert Bognermayr in seiner Heimatstadt das Leben (wikipedia)

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Harald Zuschrader (* 5. März 1944 in Linz) ist ein österreichischer Komponist und Musiker.

Der am 5. März 1944 in Linz in Oberösterreich geborene Harald Zuschrader absolvierte am Bruckner-Konservatorium eine Gitarrenausbildung. Zusätzlich studierte er Pädagogik. Zuschrader war zunächst als Mitbegründer der Band an zwei Eela Craig-Alben Ende der 1970er Jahre beteiligt. Hier hat Zuschrader bereits mit Hubert Bognermayr (1948–1999) zusammengearbeitet. Gemeinsam beteiligten sich dann beide an Control Company, welche 1980 das Album Four Years Before 1984 über Polydor (Österreich)/Telefunken (Deutschland) veröffentlichten. An Control Company waren auch noch Joe Drobar und Klaus Pruenster beteiligt. Seit 1979 beschäftigten sich Bognermayr und Zuschrader mit Forschungsarbeiten am ersten digitalen Synthesizer mit Sampling-Technik, dem Fairlight CMI (Computer Musical Instrument), eine australische Erfindung. Der Synthesizer wurde von dem englischen Musiker Peter Gabriel bei seinem dritten Album Melt eingesetzt, welches 1980 erschienen ist. Bognermayr und Zuschrader realisierten mit dem 1982 erschienenem Album Erdenklang die erste ausschließlich mit dem Fairlight CMI realisierte Musik. Das Duo Hubert Bognermayr & Harald Zuschrader veröffentlichte bis 1983 unter diesem Namen insgesamt vier eigene Alben. Für den österreichischen Komponisten und Gitarristen Klaus Pruenster komponierte Zuschrader die 1982 erschienene Schallplatte Zweisamkeit (Ist die schön’re Zeit).

Harald Zuschrader01Zuschrader spielte mit den Elektronik-Musikern Hubert Bognermayr, Johannes Schmoelling, Kristian Schultze und Matthias Thurow am 25. April 1987 beim von Ulrich Rützel initiierten und vom WDR Köln veranstalteten Konzert „Million Bits In Concert“ in Köln mit.

Mit Bognermayr gründete Zuschrader im Jahr 1988 das digitalphilharmonische Musikprojekt Blue Chip Orchestra. Gemeinsam haben sie als solches vier Alben bis 1998 veröffentlicht. Im Jahr 1999 ist Bognermayr verstorben.

Im Jahr 1991 veröffentlichten Zuschrader und Peter Rauhofer als B-Style die Maxi-CD The Streets Of San Francisco über GIG Records. Mit Wolfgang Kosmata produzierte Zuschrader die Alben Altum Silentium, The Secret of Life und Wellness Symphony Vol.1, welche 2008 bis 2009 beim Label von Kosmata veröffentlicht worden sind.

Im Jahr 1997 gründete Zuschrader die Rock ’n’ Roll-Band Matchbox. Die Band hatte diverse Auftritte in Österreich und Deutschland, zuletzt 2005. Matchbox war Vorgruppe des englischen Konzert-Projektes „The Heros of Rock“ mit Joe Cocker, Manfred Man und Procul Harum. Matchbox war bis 2007 aktiv. Von 2006 bis 2010 war Zuschrader in der Show „Usea Motabula – Symphonie des Regenbogens“ des Künstlers Hans-Peter Gratz als Arrangeur aktiv. Zuschrader ist als Leadgitarrist und Backgroundsänger bei größeren Veranstaltungen der Country-Band John TC & The Troubleshooters aus Linz aktiv. Die Band trat zum ersten Mal im August 2009 in Österreich auf. Weiter war Zuschrader in der Band Fenders Revival aktiv. (inklupedia.de)

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Und hier ihr drittes und vorletztes Album. Es löste damals doch ziemlich viel Begeisterung aus:

So schrieb z.B. „Der Spiegel“ mit der ihm eigenen Süffisanz folgende Zeilen:

Krach aus der Stahlküche und Vogelgezwitscher, Wasserglucksen und Martinshörner haben zwei Österreicher mittels Computer zum »Erdenklang« gemixt. Ist ihre LP ein kluger Ulk oder eine revolutionäre Pioniertat?
07.03.1982, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 10/1982

Rund ums Anwesen ein adretter Holzzaun, überm Gartentor Heckenrosen im Halbrund, bunte Fensterläden am Haus, am Giebel ein Geweih – eigentlich könnte diese grüne Idylle, gleich am Wald oberhalb von Linz an der Donau, nur eine österreichische Sommerfrische sein mit fl. k. u. w. Wasser.

Auch der gemütlich gerundete Hausherr, der Bognermayr Hubert, 33, würde zu einer Frühstückspension passen wie Kaisersemmeln zum großen Braunen. Mit seinem pfiffigen Kullerblick durch die runden Brillengläser, mit Pfeife verkörpert der Sproß einer alten Förstersippe, wenn er vor einer knusprig gebratenen Stelze und einem wohltemperierten Obstler sitzt, die alpenländische Spielart des Lebenskünstlers.

»0136 – (G:Bf:Df:F+), 7G:Bf:Df:F+, 7, 6G:Bf:Df:F+, 12G:Bf:Df:F+, 12, 6G:Bf:Df:B« – einen solchen Code, Teil eines Computer-Programms und dieses wiederum nur Bruchstück aus einer von über 600 verschlüsselten Kompositionsordern, würde man mit Bognermayr so schnell nicht in Verbindung bringen. Ein Hubertusmantel mit Hirschhornknöpfen scheint ihm angemessener als Bits, Chips und integrierte Schaltkreise.

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Doch zumindest die deutschen Feuilletons haben den Eigenbrötler aus dem oberösterreichischen Forst zum Guru der elektronischen Musik ausgerufen.

»Ein paar Jahrzehnte musikalischer Entwicklung stehen da offen«, orakelt die »Welt« nach Anhörung der Linzer Retorte. »Ein neues Kapitel in der Musikgeschichte« sah, wieder einmal, die »Rheinische Post« aufgeschlagen.

Das »Hamburger Abendblatt« vernahm nach Bognermayrs Schalten und Wüten »die Welt des Wohlklangs auf den Kopf gestellt«, die »Zeit« fiel zum Ruhm der elektronischen Ton-Melange sogar in das Pathos der Genesis zurück: »Am Anfang war das Wasser«, predigte das Wochenblatt gleich sechsmal in 237 Zeilen, »der Geist Gottes schwebte darüber« – und nun wohl auch der von Hubert Bognermayr.

Inzwischen hat sich der alpenländische Schöpfungsakt, von dem die Zeitungen so geheimnisvoll wichtig taten, auf einer handelsüblichen Langspielplatte niedergeschlagen: »Erdenklang«, so der Titel, beinhaltet eine »computerakustische Klangsinfonie« von 35 Minuten und 11 Sekunden Länge, die, der »Zeit« gemäß, am Anfang, aber auch am Ende gluckst und dazwischen eine Menge süffiges Tonmaterial in den Rillen hat.

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Das fünffach, in poetisch verbrämte Sätze wie »Erdenleicht«, »Erdentief« oder »Erdung« unterteilte und -titelte Stück erweist sich als kesse Mixtur aus Naturlauten und Industrielärm. Tatsächlich haben der studierte Magister Bognermayr und sein Ko-Komponist, der Linzer Gitarrenlehrer Harald Zuschrader, 38, bloß alltägliche Geräusche der Umwelt mit elektrotechnischer Raffinesse in reinen Wohlklang verfälscht.

Kaum ist das Wasser (eines dutzendfach aufgenommenen und echohaft verdünnten Einzel-Tropfens) aus den ersten Stereo-Rillen abgelaufen, da werden Stahlsaiten angeschlagen und Dampfhämmer eingeschaltet. Aus dem Linzer Hüttenwerk »VÖEST-Alpine«, in großstädtischem Verkehrsgewühl heulen Martinshörner auf, im Donautal surren die Transformatoren eines Umspannwerkes.

Gelegentlich trällern Vögel, und zwischen das Geklapper von Metallstäben und Bambusrohren mischen sich sogar die Bässe der beiden Macher, sauber eingestimmt auf »a«.

Doch naturrein ist diese Collage nicht, jeder O-Ton vielmehr elektronisch gepanscht. »Niemand«, da übertreibt nicht einmal der Hamburger »Erdenklang«-Manager Ulrich Rützel, 37, »wird auf dieser Platte einen Ton finden, der nicht natürlichen Ursprungs ist, und keiner wird einen Ton finden, der nicht unbedingt so in der Natur nachweisbar wäre.«

Ungewöhnlich am »Erdenklang« ist eigentlich auch weniger der Sound, in dem Bio-Töne und akustischer Smog zu schönster Harmonie eingeschmolzen sind, mehr dessen technische Herstellung.

Fairlight CMI

Als Bognermayr, der 1970 die Gruppe »Eela Craig« gegründet und mit deren symphonischer Rock-Elektronik einige Jahre auffallend Erfolg gehabt hatte, S.206 1979 bei der ersten Linzer »Ars Electronica« erstmals den »Fairlight CMI« (für »Computer Music Instrument“) in Aktion hörte, glaubte er »einen langgehegten Traum aller Elektroniker erfüllt«.

Denn anders als die meisten zum Tonsatz verwendeten Geräte kann der von dem aus Deutschland stammenden Australier Peter Vogel gebastelte Apparat nicht nur natürliche Töne simulieren, sondern auch einfangen, speichern und, entsprechend programmiert, auf jede nur denkbare Weise variieren: in Tempo und Farbe, Tonhöhe und Dynamik, auch als Stakkato oder Legato. »Mit einem einzigen Geigenton«, entzückte sich Bognermayr, »kann ich eine ganze Symphonie komponieren.«

Sofort sah Naturfreund Bognermayr die ökologische Chance, »die Laute der Natur, die heute im Lärmpegel der Zivilisation untergehen, erhalten« und »unsere Ohren wieder an die Vielfalt der Natur heranführen« zu können. Er kaufte Vogels Apparat für 80 000 Mark und krempelte das Parterre seines Försterhauses zum Laboratorium um.

Auf den Einöd-Tüftler wurde bald sogar Herbert von Karajan aufmerksam. Als der 1980 für den ersten und dritten Akt seiner Salzburger »Parsifal«-Aufführung ein volltönendes Geläut suchte, bat er Bognermayr mit dem kofferkleinen »Fairlight CMI« ins Festspielhaus: Statt bislang von neun Musikern mit Klavieren, Glocken und Tamtam wurde der heilige Bimbam nun aus der Retorte eingespielt – wuchtiger und präziser als je zuvor.

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Ganz von abendländischen Traditionen wollte Bruckner-Verehrer Bognermayr auch beim »Erdenklang« nicht lassen. So hat er die Geräuschkulisse aus dem nahen Donautal manchmal geradezu polyphon arrangiert; in der Linzer Stahlschmiede rumst es nach entsprechender Order an den »Fairlight« rhythmisch so exakt wie ein Generalbaß von Vivaldi; einmal stimmen die gemixten Klänge sogar einen richtigen Choral an.

So ist bei diesem abgekarteten Spiel des Computers alles drin: Aus dem Hüttenwerk Maschinen-Rock, swinging Barock vom Dampfhammer, Vogelgezwitscher wie aus Beethovens »Pastorale« und viel reines Schmuse-Dur, wie es der französische Synthesizer-Softy Jean-Michel Jarre („Equinoxe“) nicht weicher verbreiten könnte – alles, nur nicht der musikgeschichtliche Sprengsatz, den so mancher Feuilletonist dem »Erdenklang« glaubte andichten zu müssen.

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Bognermayr selbst interpretierte seine Zukunftsmusik denn auch mit erfrischend keckem Unterton: »Haben Sie schon mal eine Bettkante gehört, die Ravels “Bolero“ rhythmischer knarrt, als jeder Schlagzeuger trommelt?«

Wenn das sein »Fairlight« kann, dann, bitte, soll er rasch wieder von sich hören lassen: In der intelligenten Verarschung von E-Musik tut sich ein weites Pop-Feld auf. (Der Spiegel 10/1982)

Nun ja … diese elekronischen Avancen erreichen mich so ganz … aber die Jungs hatten schon auch ihre Freude am Plätschern des Wassers.

Am Dienstag, dern28. September 1982 gab es dann im Brucknerhaus, Linz/Österreich eine spezielle Uraufführung. Das Album „Erdenklang“ wurde als Computerakustisches Tanztheater präsentiert (die entsprechende Presseiformation liegt dieser Präsentation bei).

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Besetzung:
Hubert Bognermayr (Fairlight CMI computer)
Harald Zuschrader (Fairlight CMI computer)

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Titel:
01. Erdenleicht 6.12
02. Erdentief 11.18
03. Erdung 6:.25
04. Eden 6.43
05. Irden 4.25

Musik: Hubert Bognermayr & Harald Zuschrader

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Pressetext

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Ein Gedanke zu “Hubert Bognermayr & Harald Zuschrader – Erdenklang – Computerakustische Klangsinfonie (1982)

  1. Zu Erdenklang kann ich nichts sagen, kenne ich nicht. Habe die Alben auch noch nie gesehen. Aber von Eela Craig habe ich zwei Alben – irgendwo zwischen Space-Rock und Elektronik angesiedelt, Richtung Pink Floyd. Muss man nicht haben, aber nicht schlecht.

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