Reinhard Mey – Diplomatenjagd + Komm, gieß mein Glas noch einmal ein (1970)

FrontCover1Reinhard Friedrich Michael Mey (* 21. Dezember 1942 in Berlin) ist ein deutscher Musiker und seit Ende der 1960er Jahre einer der populärsten Vertreter der deutschen Liedermacher-Szene. Pseudonyme sind Frédérik Mey (in Frankreich), Alfons Yondraschek und Rainer May.

Zwischen 1967 und 2020 hat Mey 28 deutsche Studioalben herausgebracht, das erste Ich wollte wie Orpheus singen 1967, das bisher letzte Das Haus an der Ampel 2020. Von 1986 bis 2004 veröffentlichte Reinhard Mey seine Studioalben im Zweijahresrhythmus, seitdem in größeren Abständen, jeweils im Mai. (wikipedia)

ReinhardMey1968

Hier eine Single aus jener Zeit, als er sich anschickte, die Bundesrepublik Deutschland auf sich aufmerksa zu machen.

Und beide Lieder stehen exemplarisch für seine damaligen Themen … Seite A ist genial spöttisch:

Auf Schloß Hohenhecke zu Niederlahr
Es hat soeben getagt, –
Lädt Freiherr Bodo, wie jedes Jahr,
Zur Diplomatenjagd,
Durch Felder und Auen
Auf haarige Sauen,
In Wiesen und Büschen
Den Hirsch zu erwischen,
Den hat Freiherr Bodo für teures Geld
Am Vorabend selber hier aufgestellt.

Schon bricht es herein in Wald und Flur,
Das diplomatische Corps,
Die Ritter vom Orden der Konjunktur,
Zwei Generäle zuvor.
Bei Hörnerquinten,
Mit Prügeln und Flinten.
Es folgt mit Furore
Ein Monsignore.
Selbst den klapprigen Ahnherrn von Kieselknirsch,
Trägt man auf der Bahre mit auf die Pirsch!

Es knallen die Büchsen, ein Pulverblitz, –
Es wird soeben gesagt,
Daß Generalleutnant von Zitzewitz
Den Verlust seines Dackels beklagt.
Der Attache Mehring
Erlegt einen Hering,
Den tiefgefroren
Die Kugeln durchbohren,
Noch in Frischhaltepackung, – das sei unerhört!-
Ein Keiler ergibt sich, vom Lärm ganz verstört

\“Bewegt sich dort etwas am Waldesrand?\“
(Der Ahnherr sieht nicht mehr recht.)
\“Das kriegt kurzerhand eins übergebrannt!\“
(Denn schießen kann er nicht schlecht.
Ja, ganz ohne Zweifel:
Er schießt wie der Teufel!)
Man trägt ihn ganz leise,
Bis dicht an die Schneise.
Man reicht ihm die Büchse, es prasselt das Schrot:
So findet der Außenminister den Tod.

Daß der Ahnherr daraufhin noch \“Waidmannsheil\“ schreit,
Hat alle peinlichst berührt.
Ihm wird ein Protestschreiben überreicht
(besonders scharf formuliert),
Doch muß man dem ALten
Zugute halten: Das war, bei Hubertus,
Ein prächtiger Blattschuß,
Und daß er das Wort Diplomatenjagd,
Nur etwas zu wörtlich genommen hat!

Die Nacht bricht herein, und Schloß Hohenhecke
Bietet ein friedliches Bild:
Der Monsignore segnet die Strecke
Von leblosem, greisem Wild,
Schon fast vergessen,
Will doch keiner essen:
Die Veteranen,
Die zähen Fasanen,
Die Ente mit Rheuma,
Der Keiler mit Asthma.
Die Jagd wird begossen,
Und dann wird beschlossen:
Der Krempel wird, – weil man hier großzügig denkt, –
Dem nächsten Armenhaus geschenkt!
So wird auch den Ärmsten der Segen zuteil!
Es lebe das Waidwerk, dreimal Waidmannsheil!

…. und Seite B ist nicht minder beeindruckend … hier zeigt er sich von seiner sympathisch nachdenklichen Seite:

Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill’gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut‘ trink ich meinen Freunden nach

Bei diesem Glas denk‘ ich zurück
An euch, mit denen ich ein Stück
Auf meinem Weg gegangen bin
Mit diesem Glas trink‘ ich im Sinn
Nach Süden, Osten, West und Nord
Und find‘ Euch in Gedanken dort
Wo immer Ihr Zuhause seid
Seh‘ die Gesichter nach der Zeit
In meinem Glas vorüberzieh’n
Verschwommene Fotografien
Die sich wirr aneinanderreih’n
Und ein paar Namen fall’n mir ein
Und ein paar Namen fall’n mir ein

Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill’gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut‘ trink ich meinen Freunden nach

Karl, der sich nicht zu schade fand
Der, wenn es mulmig um mich stand
So manche Lanze für mich brach
Auf Klaus, der viel von Anstand sprach
Und der mir später – in der Tat –
Die beste Pfeife geklaut hat
Mein Zimmernachbar bei Frau Pohl
Der nach Genuss von Alkohol
Mein Zimmer unerträglich fand
Und alles kleinschlug, kurzerhand
So übte der sich damals schon
In Sachen Weltrevolution
In Sachen Weltrevolution

Dem stets betrunk’nen Balthasar
Der immer, wenn er pleite war
Seinen Kredit bei mir bekam
Und wenn ich mich selbst übernahm
Dann zahlte stets der Franz für mich
Bis Balthasar die Schuld beglich
Volker und Georg, die mit mir
Brüderlich teilten Schnaps und Bier
Die fahr’n zu dieser Zeit voll Rum
Auf irgendeinem Pott herum
Auf irgendeinem Ozean
Und spinnen neues Seemannsgarn
Und spinnen neues Seemannsgarn

Verwechs’le ich Euch, vergaß ich dich
Lässt mich mein Gedächtnis im Stich?
Manches ist schon so lange her
Kenn‘ ich nicht alle Namen mehr
So kenn‘ ich die Gesichter doch
Und erinnere mich noch
Und widme Euch nicht wen’ger Raum
Geschrieben haben wir uns kaum –
Denn eigentlich ging keiner fort
In einer Geste, einem Wort
In irgendeiner Redensart
Lebt Ihr in meiner Gegenwar

Interessant dann noch, dass er beide Lieder auf der großartigen Tournee mit Konstantin Wecker und Hannes Wader im Jahr 2003 immer noch spielte …

Ich hätte mir freilich eine anspruchsvollere Covergestaltung gewünscht !

Reinhard Mey01

Besetzung:
Reinhard Mey (vocals, guitar)
+
Begleit-Ensemble Pepe Naumann

Reinhard Mey02

Titel:
01. Diplomatenjagd (Mey) 3.05
02. Komm, gieß mein Glas noch einmal ein (Mey) 4.12

LabelB1

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